1968 und die Folgen
Journal für politische Bildung 4/2018
- unter Mitarbeit von
- Hannelore Chiout, Paul Ciupke, Hendrik Hartemann, Hanna-Lena Neuser, Lena Wach, Benedikt Widmaier, Tina Zapf
Die Ereignisse um die Studentenproteste des Jahres 1968 werfen ihr Licht und ihre Schatten auch 50 Jahre später noch immer bis in die Gegenwart. Für die einen ist es ein mythologisch aufgeladenes Jahr, der Beginn einer demokratischen Neugründung der Bundesrepublik nach der als restaurativ empfundenen Nachkriegszeit unter Adenauer, für andere der irrsinnige Abgang vom erfolgreichen Weg eben dieser Ära und die Vorgeschichte des Terrorismus. Der alte 68er-Spruch „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ spiegelt die ambivalente Zeit der Studentenproteste wider; die Studierenden hegten einen fast rel…
Bestellnummer: | JpB4_18 |
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EAN: | Jpb4_18 |
ISBN: | Jpb4_18 |
Reihe: | Journal für politische Bildung |
Erscheinungsjahr: | 2019 |
Seitenzahl: | 80 |
Die Ereignisse um die Studentenproteste des Jahres 1968 werfen ihr Licht und ihre Schatten auch 50 Jahre später noch immer bis in die Gegenwart. Für die einen ist es ein mythologisch aufgeladenes Jahr, der Beginn einer demokratischen Neugründung der Bundesrepublik nach der als restaurativ empfundenen Nachkriegszeit unter Adenauer, für andere der irrsinnige Abgang vom erfolgreichen Weg eben dieser Ära und die Vorgeschichte des Terrorismus.
Der alte 68er-Spruch „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ spiegelt die ambivalente Zeit der Studentenproteste wider; die Studierenden hegten einen fast religiösen Glauben, man könne in der Ära der „Fundamentalliberalisierung“ (Jürgen Habermas) das Paradies auf Erden errichten, verbunden mit der Empörung darüber, dass der Kapitalismus das nicht schafft. Unter dem Panzer der verbauten urban-kapitalistischen Realität ein Stück grüne Wohlfühlutopie – gepaart mit Ironie, Hedonismus und Militanz. Immerhin spielt der Spruch darauf an, dass Straßenpflaster häufig auf einem Sanduntergrund verlegt wird, und Pflastersteine eine beliebte Waffe im Straßenkampf waren und sind. Die französische Version „Sous les pavés, la plage“ ist bei den Pariser Unruhen im Mai 1968 populär geworden.
Rudi Dutschke, der wichtigste Wortführer der deutschen Studentenbewegung, sprach von einer „Vergeudungsgesellschaft“. In einem Interview mit dem Spiegel, das seinerzeit für viel Aufsehen sorgte, sagte er 1967: „Die für profit- und herrschaftsorientierte Gesellschaftsordnungen typischen Konsumtionsexzesse – Kriege sowie die ungeheuren toten Kosten; Rüstung, unnütze Verwaltung und Bürokratie, unausgenutzte Industriekapazitäten, Reklame – bedeuten eine systematische Kapitalvernichtung. Die wiederum macht es unmöglich, den Garten Eden historisch zu verwirklichen.“ Der Garten Eden der Studentenbewegung, der Strand unter dem Pflaster, wurde programmatisch im Namen der Zeitschrift Pflasterstrand (1976-1990), des Sprachrohrs der linken Sponti-Szene in Frankfurt am Main und Vorläuferin des heutigen Stadtmagazins Journal Frankfurt. Daniel Cohn-Bendit war einer der Protagonisten, Joschka Fischer und Claus Leggewie schrieben für Pflasterstrand, ebenso wie Thomas Schmid und Alexander Gauland. Die Revolte hat in Rudi Dutschke sehr früh ihren wichtigsten und charismatischsten Kopf verloren. Im April 1968 wurde das Attentat auf ihn verübt, an dessen Folgen er 1979 gestorben ist. „Die Zeit hat uns geprägt, und wir haben die Zeit geprägt“ – das schreibt Gretchen Dutschke, seine Witwe, im Epilog ihres neuen Buchs „1968 – Worauf wir stolz sein dürfen“. Und sie fährt fort: „Darauf können wir und all die Millionen Menschen in Deutschland, die etwas von dem damals Erreichten verstanden haben und ihr Leben frei, bewusst, auch kritisch gestalten, [...] stolz sein; stolz auf dieses Land – Deutschland.“
Weniger ambivalent als diese kurze episodische Skizze gibt sich die heutige Bewertung von ’68: In den politischen Zielen weitestgehend gescheitert, aber höchst erfolgreich in ihrem Beitrag zu kultureller Liberalisierung, gesellschaftlichem Wertewandel und demokratischer Erziehung und Bildung – und darum geht es in dieser Ausgabe des Journal. Bei der Demokratisierung der Bildung ging es um eine bewusste (Re-)Politisierung der Bildungsarbeit, die im einzelnen Lernsubjekt fundieren sollte (Oskar Negt). Aus dem demokratischen Aufbruch der 68er-Bewegung haben sich in den 1970er Jahren u. a. die Neuen Sozialen Bewegungen entwickelt, beispielsweise die Umwelt-, Friedens- und Frauenbewegung. Diese Bewegungen hatten in mehrfacher Hinsicht auch einen pädagogischen Impetus: Sie wollten politisches Bewusstsein schaffen, aufrütteln und zur Teilnahme aufrufen. „Unter dem Pflaster ist der Strand“ war das filmische Debüt der Regisseurin Helma Sanders-Brahms aus dem Jahr 1975. Es wurde zu einem zentralen Film der deutschen Frauenbewegung und ’68 im Allgemeinen.
Inhalt
4 Hanna-Lena Neuser, Tina Zapf
10 Benedikt Widmaier 18 Paul Ciupke 24 Hannelore Chiout 32 „Wie kommen wir ins Handeln?“
42 Hendrik Harteman
46 Jette Stockhausen, Alexander Wohnig Lernlabor „Klassen-Kämpfe: |
MitDenken 4 Was wird warum viral?
SchwerPunkt 18 Bildung und Protest
SchwerPunkt 24 Die Frau, das defizitäre Wesen |
BildungsPraxis 46 Stadtrundgang und Lernlabor
ÜberGrenzen 68 Europäische Bürgerschaft im Wahljahr
ZeitZeugen 42 Hendrik Harteman
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54 Mitgliederversammlung des bap / „1968“ als
LeseZeichen 60 1968 – The whole world was watching /
ÜberGrenzen 68 Lena Wach
AusBlick 74 Funkkolleg: Religion Macht Politik / Bundes- |