Qualitätsmanagement in der politischen Bildung: Evaluation und kein Ende

Die politische Bildung ist seit Jahren mit steigenden Anforderungen an Selbst- und Fremdevaluation konfrontiert. Vielfach haben diese auch ­förderrechtliche Implikationen. Die Einführung und Etablierung von zertifizierter Qualitätsentwicklung hat Folgen, die sich in der Praxis als Chance und Herausforderung vermitteln. 

Bevor ein Seminar sich dem Ende zuneigt, werden die Teilnehmenden um ihre Meinung oder Einschätzung gebeten, wie sie die Veranstaltung bewerten. Dann schlägt ihre Stunde, aber nicht unbedingt die Stunde der Wahrheit. Das Ergebnis einer Seminarauswertung hängt von vielen Faktoren ab, wie z. B. der Stimmung in der Gruppe, vom Verlauf der Veranstaltung, von der Kompetenz der Seminarleitung oder gar vom Essen. Entscheidend ist aber auch das methodische Setting einer Auswertung. Zwischen einem „Blitzlicht“ und einem Feuerwerk unterschiedlicher und aneinander gereihter verbaler und non-verbaler Auswertungsmethoden können sich qualitativ unterschiedliche Aussagen und Ergebnisse auftun. Von „Vielen Dank, es war ein schönes Seminar“ über „Es hat mir alles gut gefallen, bis auf die Exkursion“ bis hin zu „Das Seminar ging völlig am Thema vorbei“ ist alles möglich. Partizipative Verfahren zur (Selbst-)Evaluation von Bildungsveranstaltungen sind Standard in der Politischen Bildung, wenn die Teilnehmenden als Co-Produzent*innen ihres Lernprozesses begriffen werden und die Seminarleitung bzw. der Bildungsträger ein wirkliches Interesse am Feedback seiner Teilnehmenden besitzt.

Wer die Musik bezahlt  . . .

Vor, während und nach einer Bildungsveranstaltung haben sich mehr oder weniger still und heimlich weitere Evaluierungsanforderungen in die Arbeit der Bildungsträger eingeschlichen. Diese mussten mitunter zähneknirschend akzeptiert werden, da ansonsten der Zugang zu Fördertöpfen verschlossen geblieben wäre, getreu dem altbekannten Motto „Wer die Musik bezahlt …“ Die berühmten „ANBest-P“ (Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung), Bestandteil einer jeden Bewilligung, formulieren es im Punkt 6.2. so: „Im Sachbericht ist auf die wichtigsten Positionen des zahlenmäßigen Nachweises einzugehen. Ferner ist die Notwendigkeit und Angemessenheit der geleisteten Arbeit zu erläutern.“ Wie angemessen der Arbeitsumfang ist, entscheidet ein Träger aufgrund eigener Kriterien, die u. a. die zur Verfügung stehenden Mittel und Personal sein können. Es sei an dieser Stelle konstatiert, dass Pädagog*innen eines Trägers oder gar der Träger selbst ein Eigeninteresse an der Evaluierung des Kerngeschäfts, der Durchführung von Seminaren und Projekten, entwickelt haben, um die Qualität des Bildungsangebots, die Ansprache von Zielgruppen und das Erreichen der Lernziele kontinuierlich zu verbessern. Der klassische Seminarbericht, der für den jährlichen Geschäftsbericht des Trägers oder als Anlage zum Verwendungsnachweis dient, muss immer noch verfasst werden und den Erfolg der Veranstaltungen herausarbeiten, da ansonsten – aus Sicht der Förderlogik – eine Förderfähigkeit nicht gegeben wäre. Ist die Politische Bildung also zum Erfolg verdammt? Die Antwort lautet „Ja“, sofern und solange sie aus öffentlichen Mitteln gefördert wird und sofern die Träger ein (notwendiges) Eigeninteresse daran haben. Politische Bildung steht immer unter Rechtfertigungsdruck und die jüngsten Verhandlungen für den Bundeshaushalt 2024 haben gezeigt, wie schnell entsprechende Etats zusammengestrichen werden können. Der in tausenden Berichten in Verwendungsnachweisen zu findende Satz: „Das Seminar war erfolgreich, weil… das Lernziel erreicht wurde, die Teilnehmenden gut mitgearbeitet haben“, etc. ist als aussagekräftiges Messinstrument inzwischen nicht mehr ausreichend.

Wenn wir über Evaluation reden, reden wir seit vielen Jahren nicht mehr nur über Teilnehmenden-Feedbacks und Seminarberichte, sondern über ein ganzes Bündel von Maßnahmen und Prozessen, die zu einer differenzierten Betrachtung des Erfolgs führen mit der Absicht, „mittels (relativ) objektiver Messungen Aussagen über die Wirkung pädagogischer Aktivitäten zu machen und mittels dieser Aussagen in Hinblick auf gesetzte (Lern)-Ziele oder mitgeteilte Erwartungen die Qualität einer Bildungsveranstaltung zu beurteilen“ (Arnold u. a. 2001: 105). Im Wesentlichen haben sich drei Merkmale herauskristallisiert, „die eine Evaluation charakterisieren und deutliche Unterschiede bewirken: (1) formativ oder summativ, (2) intern oder extern, (3) fremd- oder selbstbewertend“ (Nuissl 2023: 144). Die Instrumente zur Selbstbewertung oder Selbstevaluierung gehen inzwischen aber weit über Berichtspflichten und Seminarauswertungen hinaus. Häufig sind die Träger in komplexe Qualitätsentwicklungsprozesse eingebunden, verfügen über ein Qualitäts­managementsystem, das zudem noch nach einer DIN-Norm und einem speziellen Verfahren für eine bestimmte Dauer zertifiziert ist. Diese Systeme verbinden den Bereich der Selbst- und Fremdevaluierung, da der Träger zunächst selbst Daten erheben, Prozesse definieren und eigene sog. Audits durchführen muss. Die Anforderungen sind je nach Zertifizierungssystem sehr unterschiedlich, bestehen aber immer aus internen Auditverfahren, die vom Träger jährlich durchgeführt werden müssen und sog. Reviews, wie z. B. dem Management-Review, das ebenfalls alljährlich die Leistungsfähigkeit des Managements eines Bildungsträgers selbständig bewerten soll. Ergänzt wird das Ganze durch Lieferantenbewertungen und umfangreiche Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten. Am Ende steht eine Zertifizierung nach DIN ISO 9001: 2015, LQW (Lernorientierte Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung) oder einer landesspezifischen Zertifizierung, wie z. B. dem Gütesiegelverbund NRW. Wer in der beruflichen Aus- und Fortbildung und in Kooperation mit der Arbeitsverwaltung unterwegs ist, benötigt ein AZAV-Zertifikat (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung). Um das eine oder andere ausgestellt zu bekommen, bedarf es des Engagements einer Zertifizierungsagentur, die für die externe Auditierung und Zertifizierung zuständig ist und sich diese Tätigkeiten z. T. üppig honorieren lässt.

New Public Management

Wie konnte es dazu kommen? Im Zuge der Verknappung öffentlicher Mittel für die Weiterbildung und vor allem für die politische Bildung und der Einführung neuer Steuerungsinstrumente („New Public Management“) schlug in den 1990er-Jahren die Stunde der Fremd-Evaluierer und Zertifizierungsagenturen. Die Fremdevaluierung wurde in vielen Bundesländern und Weiterbildungsgesetzen zur verpflichtenden Bedingung erklärt, um weiterhin öffentliche Mittel zu erhalten. Bildungseinrichtungen wurden als „organisierte Anarchien“ dargestellt, die sich u. a. durch unklare Funktionsweisen, fluktuierende Teilnahme an Entscheidungssituationen und häufig schlecht definierte Präferenzen auszeichnen (vgl. Zimmer 2014: 130). In § 10 des Niedersächsischen Erwachsenenbildungsgesetzes (NEBG) werden die Einrichtungen z. B. verpflichtet „ihre Bildungsarbeit alle vier Jahre durch Dritte evaluieren zu lassen und die Ergebnisse zu dokumentieren.“ Weiterhin sind „laufend Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen.“ Diese Norm und Anforderung an die Bildungsträger führte zunächst zu der Einsicht, dass diese umfangreichen Evaluierungsarbeiten nicht mehr nebenbei erledigt werden konnten, sondern der Funktion eines Qualitätsmanagementbeauftragten (QMB) bedurften, der entweder extra eingestellt wurde oder als ohnehin schon dort beschäftigte*r Mitarbeiter*in diese Aufgaben zusätzlich übernahm. 

Die Einrichtungen oder Träger mussten sich entscheiden, ob ein solcher Qualitätsentwicklungsprozess nur durchlaufen wird, um eine Zertifizierungsurkunde zu erhalten, die der fördernden Behörde vorgelegt werden konnte oder ob der Träger und die Mitarbeitenden bereit sind, diesen Entwicklungsprozess mit all‘ seinen Teilprozessen, Dokumentationspflichten und Audits für eine tatsächliche Qualitätsentwicklung des Trägers und des Bildungsangebots zu nutzen. Diese Entscheidung war die Grundlage für einen Paradigmenwechsel, der fortan dazu führte, dass zielgerichtet, strategisch und professionell evaluiert wurde und nicht mehr nur die Frage nach dem Erfolg eines einzelnen Seminars beantwortet werden musste. Vielmehr wurde immer deutlicher, wie sehr alle Rahmenbedingungen (Ort, Personal, Essen, etc.) auch zum Gelingen eines Lernprozesses beitrugen. Die Fachverbände der politischen Bildung berieten bei diesen Prozessen und setzten sich kritisch in ihren Fachgremien mit den neuen Herausforderungen auseinander. Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) nutzte die Chance, um insbesondere Einrichtungen der politischen Jugendbildung für die Einführung von Qualitätsentwicklungsverfahren zu beraten und zu begleiten.

Neue Chance

Diese QM-Systeme waren eigentlich für gewinnorientierte Unternehmen gedacht und sollten dort zur Steigerung der Effizienz und Verbesserung des Wissens-Managements beitragen. Aber sie waren nicht in jedem Fall auf die Arbeit von gemeinnützigen Bildungsträgern übertragbar und führten deshalb verschiedentlich zu Kritik und zur Entwicklung eigener QM-Systeme. Im Kern enthielten aber die eigenen QM-Systeme ähnliche Anforderungen und machten analog die Entwicklung ähnlicher Prozesse notwendig. Inzwischen haben sich über die rund 20 Jahre nach Einführung von strategischer Qualitätsentwicklung so etwas wie Routinen eingeschlichen, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Bildungsangebote und der Qualität der institutionellen Rahmenbedingungen geführt haben. Anhand einiger Beispiele soll das deutlich gemacht werden: 
  • Für die Evaluierung von Bildungsveranstaltungen werden Verfahren und Zielerreichungskriterien im Qualitätshandbuch festgelegt, die sich nicht nur auf die Auswertung von Teilnehmenden-Fragebögen stützen, sondern den gesamten Lernprozess in den Blick nehmen und das Erreichen vorher aufgestellter Lernziele überprüfen soll. 
  • Die Qualifikation und Kompetenz des pädagogischen Personals und deren Fortbildungsbedarfe werden in den Blick genommen und die Institution legt fest, welchen Fachkräftebedarf mit welcher spezifischen Qualifikation sie zur Umsetzung ihres Bildungsangebots hat und wie ggf. deren Fortbildungsbedarfe sein können. 
  • Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden in einer Bildungseinrichtung wird ebenfalls zum Gegenstand der Selbstevaluation. Bildungsprozesse können eben nur dort erfolgreich realisiert werden, wo auch motiviertes Personal am Werke ist. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen soll durch Prozesse der Qualitätsentwicklung und festgelegte Verfahren und Instrumente evaluiert werden, um die Zufriedenheit auf dieser Basis kontinuierlich zu verbessern. In Zeiten des Fachkräftemangels wird dieser Aspekt zunehmend relevanter. 
  • Die Entwicklung neuer Projekte und Bildungsangebote, gewissermaßen als Brot- und Buttergeschäft von Bildungsträgern, erfolgt ebenfalls in definierten Prozessschritten, welche die pädagogische Qualität des Trägers sichern und weiterentwickeln soll. 
Das sind nur vier Beispiele aus einem umfangreichen QM-System, dessen definierte Prozesse in der konsequenten Anwendung zu Qualität führen sollen. Allein aus diesen Beispielen wird der Arbeitsaufwand für die Evaluation und Dokumentation deutlich. Viele Einrichtungen führen jährliche Qualitätstagungen mit ihren Mitarbeitenden durch, um das QM-Instrumentarium immer wieder auf Zielführung und Praxistauglichkeit zu überprüfen. Gebündelt dokumentiert wird alles in einem „QM-Handbuch“, das auch erst einmal erstellt sein will und natürlich ständig fortgeschrieben bzw. aktualisiert werden muss. Prozesse in einer Bildungsstätte sind darin definiert, in einer Prozesslandkarte eingeordnet, mit Vorgabe- und Nachweisdokumenten ausgestattet, aber nicht in Stein gemeißelt. Letztendlich beschreibt eine Institution mit diesem Instrument ihre Leistungsfähigkeit aus ihrem eigenen Verständnis heraus – und das ist ihre Qualität! Unterstützt werden diese institutionellen Bemühungen durch zahlreiche Fortbildungsangebote für QM-Beauftragte und Mitarbeitende in Einrichtungen. Das Fortbildungsangebot der Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung in Niedersachsen enthält z. B. aktuell rund zehn Veranstaltungen dazu und unterstreicht damit die Aktualität und Bedeutung der Qualitätsentwicklung. 

Öffentliche Förderungen

Wie bereits dargestellt, wurde das Qualitätsmanagement und die damit verbundene Fremdevaluierung bzw. Zertifizierung von Fördermittelgebern als eine zusätzliche Anforderung für die Träger eingeführt. So soll sichergestellt werden, dass die (knappen) Mittel zielgerichtet, wirtschaftlich und verantwortungsvoll eingesetzt sind. Die Einführung von QM-Systemen wurde aber dennoch differenziert betrachtet, wie Rosendahl 2014 resümierte: Sie stellte „durchaus positive Qualitätswirkungen“ in der Weiterbildung fest, sieht aber auch als Kehrseite der Medaille „zusätzliche Verwaltungskosten sowie eine steigende Arbeitsbelastung beim Personal“ (Rosendahl 2014: 92). Inzwischen haben sich die Träger personell entsprechend aufgestellt und diese zusätzlichen Kosten als feste Größe in ihren Haushalten verankert. Qualitätsmanagement ist Routinearbeit geworden und die Aufregung, die es bei der Einführung dieses New Public Management gab, hat sich genauso gelegt, wie der Druck der Fördermittelgeber. 

Mit dem Qualitätsmanagement als Selbst- und Fremdevaluierungsverfahren ist ein Standard geschaffen worden, der allen Seiten Sicherheit verschafft und auch für die politische Bildung von großem Nutzen ist, da er den politischen Druck auf die Träger reduziert und nicht entsprechend der Haushaltslage mit immer neuen Evaluierungsanforderungen um die Ecke kommt. Einen absoluten Schutz vor Kürzungen gibt es dennoch nicht, wie wir aktuell gesehen haben. Die Bundeszentrale für politische Bildung hält nach wie vor im Rahmen der sog. Richtlinienförderung das Instrument der Tagungsbetreuung aufrecht, weil es „für die BpB ein geschätztes Instrument des Qualitätsmanagements ist“, wie es im Protokoll des Runden Tischs vom 25.10.2022 nachzulesen ist. Wessen Qualitätsmanagement damit gemeint ist, wird dabei nicht näher ausgeführt. Die Behörde verlässt sich damit nicht auf die Anwendung des QM-Systems der geförderten Träger, sondern wirkt mit der externen Tagungsbeobachtung als eigenem Instrument zusätzlich zu den ANBest-P-Anforderungen auf die Bildungsarbeit ein. Ob es sich dabei um Qualitätsentwicklung, Fremdevaluation oder Kontrolle handelt – darüber kann spekuliert und diskutiert werden.


Literatur

Arnold, Rolf/Nolda, Sigrid/Nuissl, Ekkehard (Hg.) (2001): Wörterbuch Erwachsenenpädagogik. Darmstadt.

Nuissl, Ekkehard (o. J.): Stichwort „Evaluation“. In: Arnold, Rolf/Nuissl, Ekkehard/Schrader, Josef: Digitales Wörterbuch Erwachsenen- und Weiterbildung. Online unter: https://wb-erwachsenenbildung.net/ (zuletzt abgerufen am 25.1.2024).

Rosendahl, Anne (2014): Beschäftigung in der Weiterbildung. In: Dobischat, Rolf/Hufer, Klaus-Peter (Hg.): Weiterbildung im Wandel – Profession und Profil auf Profitkurs. Schwalbach/Ts., S. 92.

Zimmer, Marco (2014): Strategisches Management in Bildungseinrichtungen, Studienreihe Bildungs- und Wissenschaftsmanagement, Bd. 15. Münster.

Der Autor

Dipl. Pädagoge und Dipl. Betriebswirt Boris Brokmeier ist Leiter der Heimvolkshochschule Mariaspring in Bovenden und Herausgeber der Zeitschrift „Außerschulische Bildung“.

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