Politische Bildung mit Antonio Gramsci kritisch weiterdenken

Juliane Hammermeister: Sinnbilder des Alltagsverstandes. Zur Bedeutung von Sinnbildungsprozessen in der institutionell gebundenen politischen Bildung. Wiesbaden (Springer VS) 2023, 228 S., 69,99 € (print), als PDF kostenfrei

Bei dieser Monographie handelt es sich um die Dissertationsschrift von Juliane Hammermeister, in der sie aus einer lerntheoretischen und politikdidaktischen Perspektive die Fragestellung verfolgt, ob und wie Kritiklernen in der schulischen politischen Bildung realisierbar ist. Erkenntnisleitendes Interesse der Autorin ist es zu untersuchen, wie unter den spezifischen politischen und ökonomischen Verhältnissen subjektorientierte Lern- und Bildungsprozesse gestaltet werden können, die ein kritisches Bewusstsein im Sinne reflexiver Mündigkeit und Kritiklernen anregen. In diesem Zusammenhang erschließt Hammermeister zentrale Kategorien Antonio Gramscis, insbesondere seine Analysekategorien der Hegemonie und des Alltagsverstandes, mit denen sie Langes politikdidaktisches Konzept der Sinnbildkonstruktionen weiterentwickelt, um in Anschluss an den Politischen Bildner Frank Nonnenmacher, eine explizit kritisches Bewusstsein und Kritiklernen fördernde Konzeption (schulischer) politischer Bildung zu erweitern.

Im zweiten Kapitel wirft die Autorin zunächst einen kurzen schulsoziologischen Blick bezüglich der Bedingungen von Kritiklernen auf die Institution Schule und skizziert kursorisch im Kontext der gesellschaftlichen Funktionen dieser Institution ihre ambivalenten Rahmenbedingungen. Kern dieses Abschnittes ist jedoch die kritische Rezeption und Analyse der Kategorien des Alltags sowie der Sinnbilder, die der Politikdidaktiker Dirk Lange für die Politische Bildung konzeptualisiert und fruchtbar gemacht hat. Hammermeister rezipiert Lange zustimmend, „dass die Alltagserfahrungen Dreh- und Angelpunkt politischer Lernprozesse sind bzw. sein sollten“ (29). In diesem Zusammenhang paraphrasiert sie Langes Modell des Bürgerbewusstseins und dessen Sinnbilder. Sie bleibt dabei allerdings nicht stehen, sondern problematisiert Langes Konzept, indem sie konstatiert, die „inneren Spannungen und Inkonsistenzen“ (58) der Sinnbilder müssten zum analytischen Ausgangspunkt gemacht werden. Mit Hilfe der Theorie von Antonio Gramsci setzt sich die Autorin zum Ziel, Langes Modell zu modifizieren.

Im dritten Kapitel widmet sich die Autorin ausführlich Antonio Gramsci, indem sie zunächst die sozio-biografischen Facetten skizziert, welche dessen Denken kennzeichnen, um anschließend sein Bildungsverständnis vor seiner Inhaftierung zu rekonstruieren. Darüber hinaus arbeitet Hammermeister Gramscis hegemonietheoretischen Überlegungen heraus, „die das widersprüchliche Feld von politischer Macht und gesellschaftlicher Emanzipation beschreiben und für sein Bildungsverständnis von zentraler Bedeutung sind“ (62). Gesellschaftliche Verhältnisse und Herrschaftspraktiken greifen dabei…

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Der Rezensent

Ralph Blasche ist Oberstudienrat für die Fächer Politik & Wirtschaft, Philosophie, Ethik und Deutsch an einem Oberstufengymnasium in Südhessen sowie Lehrbeauftragter an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

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