Nachruf auf Prof. Dr. Günter C. Behrmann
Am 27. März 2022 starb Prof. Dr. Günter C. Behrmann nach schwerer Krankheit im Alter von 81 Jahren. Behrmann hatte von 1975 bis 1993 die H4-Professur „Didaktik der politischen Bildung“ an der Universität Osnabrück, Standort Vechta, inne. 1993 wechselte er an die Universität Potsdam, die ihm einen Ruf auf die C4-Professur „Didaktik der politischen Bildung/Sozialwissenschaften“ an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät erteilt hatte. Behrmann wurde 2009 emeritiert.
Behrmann hatte von 1961 bis 1966 in Freiburg sowie in Tübingen Politikwissenschaft und Soziologie studiert. Seine wichtigsten akademischen Lehrer waren Arnold Bergstraesser, Dieter Oberndörfer, Heinrich Popitz, Theodor Eschenburg und Friedrich Tenbruck.
Ausgangspunkt seiner Reflexionen zur politischen Bildung war ein Studienaufenthalt in den USA, der durch ein Stipendium des von Max Horkheimer gegründeten Studienbüros für Politische Bildung finanziert wurde und Forschungsprojekte zur politischen Sozialisation in den USA zum Schwerpunkt hatte. Zu diesem Themenbereich fertigte er auch seine Dissertation an, die 1972 unter dem Titel „Soziales System und politische Sozialisation. Eine Kritik der politischen Pädagogik“ veröffentlicht wurde.
Obwohl der Verstorbene kein Lehramtsstudium absolviert hatte und sich vor allem als Fachwissenschaftler empfand, begleitete ihn die Lehrkräftebildung während seines gesamten Berufslebens. So baute er in Potsdam den Lehramtsstudiengang „Politische Bildung“ auf, war Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Lehrerbildung seiner Universität und vertrat die Belange der Lehrerbildung in den universitären Gremien.
Seinem professionellen Selbstverständnis nach sah sich Behrmann in erster Linie als Politikwissenschaftler und Soziologe und erst in zweiter Linie als Didaktiker der politischen Bildung. So war sein Blick auf die politische Bildung stark von den beiden erwähnten Wissenschaften geprägt. Entsprechend tragen viele der über vierzig Veröffentlichungen Behrmanns zur politischen Bildung sozialwissenschaftliche Akzente. Einige Beispiele: „Politikwissenschaftliche Forschung, Didaktik und politischer Unterricht“ (1978), „Wissenschaftsbezug und Bezugswissenschaften des politischen Unterrichts“ (1979), „Staatsbürgerkunde in der DDR: Möglichkeiten und Grenzen politischer Indoktrination im Schulunterricht“ (1997) und „Die Promotionsforschung zur Staatsbürgerkunde“ (2006). Die zuletzt genannten Veröffentlichungen waren Früchte eines Forschungsprojektes zur „Alltags- und Sozialgeschichte des Staatsbürgerkundeunterrichts in der DDR“, das Behrmann zusammen mit Tilman Grammes durchführte.
Behrmanns Interessen lagen in der Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Bundesrepublik. Diesen Interessen konnte er in zwei von der Fritz Thyssen Stiftung finanzierten Forschungsprojekten nachgehen. Aus dem Projekt „Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der ‚Frankfurter Schule‘“ entstand die über 600 Seiten umfassende Studie „Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule“. Autoren waren Behrmann, sein Lehrer Friedrich Tenbruck, sein Schüler Clemens Albrecht und einige andere. Das zweite Projekt hieß „Methoden der Geisteswissenschaften“ und befasste sich mit der Entwicklung von dazugehörenden Wissenschaften in den deutschsprachigen Ländern im 20. Jahrhundert. Im Zusammenhang hiermit veröffentlichte Behrmann eine Reihe luzider Studien zur Entwicklung der Politikwissenschaft.
In seinen letzten Jahren widmete sich Behrmann gemeinsam mit seinem Lehrer Dieter Oberndörfer in einem weiteren Forschungsprojekt der Verteidigung Arnold Bergstraessers gegen einseitige Interpretationen. Auf der Basis intensiver Archivrecherchen wies er in mehreren Publikationen die fehlende Berechtigung der Angriffe auf diesen Nestor der deutschen Politikwissenschaft nach. Das Interesse an Bergstraesser verband den Verfasser dieser Zeilen mit Behrmann. In einer Reihe von Gesprächen lernte er Behrmann als hoch kompetenten Wissenschaftler kennen, der seine Auffassung auf ruhig-sachliche Art mitzuteilen wusste. Spürbar war dabei seine tiefe Skepsis gegenüber ideologischem Eifer. Günter C. Behrmann war ein liberal-konservativer Gelehrter im besten Sinne des Wortes.
von Prof. Dr. Joachim Detjen