Kritik der Extremismusprävention – verspielte Chance?
Julika Bürgin: Extremismusprävention als polizeiliche Ordnung. Zur Politik der Demokratiebildung. Weinheim & Basel (Beltz Juventa) 2021, 168 S., 16,95 €, 168 S.; open access: E-Book-pdf
Es gibt viele gute Gründe, sich kritisch sowohl mit Ansätzen und Praktiken der Prävention als auch mit Extremismuskonzepten zu befassen. Und selbstverständlich liegt es nahe, dabei auch kritisch Förderprogramme, Praktiken und Politiken auf Bundes- und Landesebene in den Blick zu nehmen, die sich Extremismusprävention mindestens als Teilaspekt auf die Fahne geschrieben haben. So nimmt man interessiert dieses Buch zur Kenntnis, in dem Julika Bürgin, Professorin im Fachbereich Soziale Arbeit an der Hochschule Darmstadt, sich diesem vielschichtigen Thema angenommen hat. Ihre Ergebnisse, die auf einer „umfangreichen und interdisziplinären Literaturstudie“ (11) sowie „explorative[n], problemzentrierte[n] Interviews mit sechs Bildungspraktiker*innen und Sozialarbeiter*innen“ (11) basieren, liegen mit der zu besprechenden Studie nun vor.
Gegliedert ist das Buch in acht Kapitel sowie einer Einleitung. Während im ersten Kapitel das Extremismuskonzept – im Buch durchgängig als E-Konzept bezeichnet – rekonstruiert wird (16–27) und zusammen mit dem Begriff der Verfassungsfeindlichkeit als „Amtsbegriffe“ ausgewiesen werden, „die herangezogen werden, um demokratische Handlungsmöglichkeiten zu beschneiden“ (19), widmet sich das zweite Kapitel dem „Bildungsauftrag Extremismusbekämpfung“ (28–51). Das dritte Kapitel ist mit „Demokratieprogrammierung“ überschrieben und fokussiert sich auf die früheren und aktuellen Förderprogramme, vorrangig des Bundes (52–74). Das vierte Kapitel wendet sich der Prävention zu und sieht sie „gepanzert mit Sicherheit – Pädagogik und Bildungsarbeit im Einsatz gegen ‚Abweichungen‘“ (75–91). Daran anschließend wird die Diskussion um die vermeintliche Neutralität politischer Bildung aufgriffen (92–112) und mit der Debatte um den Stellenwert freier Träger und die Gemeinnützigkeit verknüpft. Das siebte Kapitel stellt die Frage „Welche Demokratie?“ und bietet einen selektiven Abriss demokratietheoretischer Ansätze (113–127). Im siebten Kapitel kommt die Autorin auf die Überlegungen zu dem Verhältnis von „Politik“ und „Polizei“ im Sinne des französischen Theoretikers Jacques Rancière zu sprechen, die auch den konzeptionellen Rahmen des Titels des Buches liefern bzw. den Titel und viele Inhalte des Buches erst nachvollziehbar machen. Wichtig dabei ist, dass die Begriffe „Politik“ und „Polizei“ und vor diesem Hintergrund das Konzept der „polizeilichen Ordnung“ von Rancière nicht dem üblichen deutschen Sprachverständnis entsprechen. Als „Polizei“ muss man im Sinne Rancière alles begreifen, was der Bewahrung bestehender gesellschaftlicher Ordnungen dient. Sie verhindert, wie Bürgin formuliert, „die Kontroverse, die Demokratie kennzeichnet“ (129). Der Begriff ist nicht weit von…
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Der Rezensent
Dr. Christian Lüders, ehem. Leiter der
Abteilung Jugend und Jugendhilfe am Deutschen Jugendinstitut, München