Demokratiegefährdung in Krisenzeiten

Andreas Zick, Beate Küpper, Nico Mokros (Hg.): Die distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23. Bonn (Dietz Verlag) 2023, 424 S., 17€

Seit 2002 gibt es die GMF- und „Mitte-Studien“, mit denen wiederholt gesellschaftliche Entwicklungen, rechtsextreme und rechtspopulistische sowie antidemokratische und menschenfeindliche Einstellungen in der deutschen Bevölkerung empirisch untersucht werden. Mit der neuen Studie zeigt der Titel, dass sich der Blick weniger auf die rechten Ränder, sondern auf gesellschaftliche Entwicklungen und völkische, autoritäre und rebellische Einstellungen sowie Radikalisierungsprozesse in der bzw. bis in die „Mitte“ der Gesellschaft richtet. Ermittelt werden sollen die Gefährdungen und „die Sollbruchstellen der Demokratie“ (24). In dreizehn Kapiteln werden zunächst das empirische Vorgehen (Methodik und Design) und anschließend vielfältige und differenzierte Befunde und Phänomene vorgestellt, vor dem Hintergrund konflikt- und krisenhafter Zeiten mit all ihren Ungewissheiten sowie unterschiedlichen Strategien der Konflikt- und Krisenbewältigung.

Dabei zeigen die Befunde zu rechtsextremen Einstellungen u. a., dass die Zustimmung zu den einzelnen Subdimensionen „eher auf eine Normalisierung“ (85) hinweisen und im „Graubereich“ - mit den teils/teils-Antworten – sowie in der Gewaltbilligung angestiegen sind. Weiter zeigen die Befunde eine sinkende Zufriedenheit mit der bzw. dem Zustand der Demokratie, und in der Selbstverortung der Befragten gibt es eine gesellschaftlich „bemerkenswerte Verschiebung nach rechts“ (99), die mit einer Bewertung der AfD als eine Partei wie jede andere auch verbunden ist. Nach einigen weiteren Daten neigen 32,6% der Befragten zum Populismus, 38% zum „Verschwörungsglauben“ (116) und knapp jeder Zehnte hält „Gewalt zum Erreichen politischer Ziele“ (123) für gerechtfertigt. Mit Blick in die neuen Mischszenen und „Querfront“- Ideologie würden knapp 23% ihre Stimme der AfD geben. Die Daten zur Verbreitung von Menschenfeindlichkeit zeigen u. a. hohe Zustimmungswerte zum kulturellen Rassismus, zu Etabliertenvorrechten und Klassismus; und auch hinsichtlich des Antisemitismus ist „erneut eine Zunahme zu verzeichnen“ (164).

Dann werden unterschiedliche Phänomene und Themenbereiche als Herausforderungen für die „Mitte“ untersucht und systematisch aufgenommen. Dazu zählen Krisenwahrnehmung und Krisenbetroffenheit mit den Bewältigungsmodi „Schließung“ oder „Öffnung“ (230), Ausländerbehörden und deren Umgang mit Migration, die ambivalente Willkommenskultur sowie der Krieg gegen die Ukraine im Spannungsfeld von Militarismus und Pazifismus. Weiter werden Sportvereine, Einsamkeit und Armut mit ihren Potentialen für anti- und prodemokratische Orientierungen thematisiert. Die Ideologie der Ungleichwertigkeit wird – so das Deutungsangebot - als Krisen- und Konfliktphänomen gesehen, mit dem…

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Der Rezensent

Prof. em. Dr. Benno Hafeneger lehrte und forscht an der Philipps-Universität Marburg zu Jugend und außerschulischer Jugendbildung und ist Mitglied der JOURNAL-Redaktion.

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