Demokratieförderung vs. Politische Bildung
Das Verhältnis von Politischer Bildung zu dem eng mit Sonderprogrammen verbundenen Feld der Demokratieförderung ist nach wie vor und insbesondere empirisch ungeklärt. Während sich die Fachdebatte bisher vor allem auf Fördergelder, Parallelstrukturen und Konkurrenzen konzentriert, bleiben die Fragen nach der Schnittmenge beider Felder und nach konzeptionellen Bezügen der jeweiligen Fachpraxis offen. Diese Fragen sollen anhand empirischer Daten aus der wissenschaftlichen Begleitung der Modellprojektpraxis im Handlungsfeld Demokratieförderung im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ (2020–2024) aufgegriffen werden.
Seit einigen Jahren währt der Fachdiskurs um die fachliche und förderpolitische Ausrichtung des Feldes Demokratieförderung (vgl. Journal 2/19). Bislang ungeklärt bleibt indes das Verhältnis von Demokratieförderung zur Politischen Bildung (vgl. Hafeneger 2019) sowie zu weiteren verwandten Rahmenkonzepten wie Demokratiebildung oder -pädagogik. Neben einer vorgeblich „extremismuspräventiven“ Ausrichtung von Demokratieförderung (vgl. Widmaier 2022) wird mit dem zuletzt kontinuierlich gewachsenen staatlichen Fördervolumen für das Feld vor allem der Bedeutungsverlust der Politischen Bildung in Verbindung gebracht. Zweifellos ist die Praxislandschaft durch finanzstarke Sonderförderung – wie das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ – vielgestaltiger und zugleich unübersichtlicher geworden. Inzwischen existiert in Deutschland eine Vielzahl an non-formalen Bildungsträgern, die politische bzw. demokratische Bildungs- und Beratungsarbeit mit und für junge Menschen leisten. In der Fachdebatte fokussiert die Kritik stark auf Fördergelder, Strukturen und Konkurrenzen und nimmt dabei kaum in den Blick, was in der pädagogischen und beratenden Praxis im Feld der Demokratieförderung geschieht und auf welche Konzepte und Ansätze rekurriert wird. Der Beitrag erhellt mit empirischen Befunden zur politisch bildenden und demokratiefördernden Praxis aktueller Modellprojekte im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ die bestehende „Praxislücke“ in der Fachdebatte.
(Un-)bestimmte Verhältnisse zum Begriff „Demokratieförderung“
Der Begriff „(externe) Demokratieförderung“ stammt ursprünglich aus dem Feld der Entwicklungspolitik (vgl. GIZ 2015). Übertragen auf den jugendpolitischen Kontext wurde mit „Demokratieförderung“ von der Politik ein Begriff ins Feld geführt, der sämtliche „Maßnahmen, Strukturen, Angebote zur Erhaltung der demokratischen Kultur […]“ (BMFSFJ 2016: 11) und explizit auch politische Bildungsangebote umfassen soll. In der Fachdebatte und auch für die geförderte Fachpraxis fungiert er eher als „Containerbegriff“ (vgl. Sturzenhecker/Wohnig 2019), bleibt dabei bisher theoretisch bezugsarm und konzeptionell unterbestimmt. Die Forschung fokussiert zur Zeit eher auf die „Bestimmung des Verhältnisses von Demokratiebildung und politischer Bildung“ (vgl. www.dbundpb.de). Auch die Fachpraxis…
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Autor*innen
Aline Rehse, Dr. rer. pol., Diplom-Soziologin, ist wissenschaftliche Referentin in der Programmevaluation „Demokratie leben!“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI), Außenstelle Halle/Saale.
Tobias Johann, Soziologe (M. A.), ist wissenschaftlicher Referent in der Programmevaluation „Demokratie leben!“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI), Außenstelle Halle/Saale.