Was bedeutet Partizipation?

Politische Bildung verfolgt das Ziel, Partizipation für (junge) Menschen zugänglich zu machen und sie zu mehr Partizipation und politischem Engagement anzuregen. Formal höher gebildete Jugendliche gelten als politisch interessierter und engagierter, sowie besser erreichbar mit Angeboten politischer Bildung als junge Menschen, die als benachteiligt etikettiert werden (vgl. z. B. Shell 2019). In der Regel wird hier die Beteiligung an institutionalisierten und etablierten politischen Verkehrsformen und politischen Strukturen gemessen. Sozial benachteiligten Jugendlichen wird zugeschrieben, zu wenig zu partizipieren und zu wenig interessiert an Politik und Angeboten politischer Bildung zu sein. Die Frage, wie es zu diesem (vermeintlichen) Ungleichgewicht kommt, lässt sich über den Umweg von Forschungsbefunden erschließen, die sich damit befassen, was Partizipation und politisches Interesse für Jugendliche bedeuten, und die ihrer Forschung ein weites Partizipationsverständnis zugrunde legen (vgl. Schwanenflügel 2015, Walther u. a. 2020).

Partizipation wird hier als ein Akt der Selbstbestimmung definiert, in dem sich das Individuum zur Gesellschaft in ein Verhältnis setzt und darin zugleich durch die Selbstbestimmungsbedürfnisse der anderen Gesellschaftsmitglieder begrenzt und zur Auseinandersetzung aufgefordert wird (vgl. Gerhardt 2007: 23). Partizipation ist demzufolge das Prinzip (konflikthafter) Aushandlungsprozesse zwischen Individuen mit unterschiedlichen Selbstbestimmungsanliegen, die geprägt sind durch biografische und lebensweltbezogene Erfahrungen. Ein solches Verständnis ist geeignet auch weniger sichtbare und gesellschaftlich anerkannte Einmischungs- und Positionierungsäußerungen in den Blick zu nehmen: Junge Menschen mischen sich häufig auf ganz alltagsbezogene Weise in ihrem Umfeld, ihrem Stadtteil, Jugendhaus oder ihrer Schule ein. Sie protestieren gegen den Abbau von Bänken an dem Platz, an dem sie sich regelmäßig aufhalten, sie hinterlassen ihre ‚Tags‘ und andere Umgestaltungsvorschläge auf dem modernen Kunstwerk, für das ihre Bänke weichen mussten. Sie verhalten sich im Jugendhaus provozierend und aufmüpfig und lehnen das bestehende Angebot ab oder sie protestieren gegen Vorschriften in der Schule, die es z. B. verbieten, Sporthosen zu tragen.


Ziel: Selbstwirksamkeit



Alles das sind Formen der Positionierung, der Einmischung, die von Erwachsenen in der Regel als Respektlosigkeit, Regelverletzung, Vandalismus oder auch Kriminalität, aber nicht als (politische) Positionierung oder als Partizipations- und Einmischungsversuch gesehen und (an)erkannt werden. Dabei wird unterschlagen, dass die Jugendlichen als Bewohner*innen des Stadtteils in Fragen der Umgestaltung ‚ihres Platzes‘ nie einbezogen wurden, auf eine von ihnen initiierte Protest-Petition keine Reaktion der politischen Parteien erfolgte und das Verbot, Sporthosen in der…

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Die Autorin

Prof. Dr. Larissa von Schwanenflügel, Professur für Kinder- und Jugendarbeit, Jugendbildung und Partizipation, Frankfurt University of Applied Sciences

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