Selbstbezeichnung statt Fremdbezeichnung

In vielen Situationen bemerken Schwarze Menschen, wie unsicher Nicht-Schwarze Menschen werden, wenn sie diese „bezeichnen“ möchten. Es herrscht offenbar Verwirrung, denn neben dem Wort „Schwarz“ gibt es unterschiedliche Benennungen, wie etwa „farbig“, „dunkelhäutig“ oder gar das „N-Wort“. Die Unterscheidung von Selbst- und Fremdbezeichnungen hilft dabei, sich einen Überblick über die Begriffe zu verschaffen.

Spätestens seit dem Fall George Floyd erreichte die Debatte über (den Anti-Schwarzen) Rassismus auch Deutschland. Am 6. Juni 2020 demonstrierten über 150.000 Menschen in 25 deutschen Städten, um sich gegen Rassismus zu positionieren. Unter den Demonstrant*innen befanden sich Menschen, die auch in Deutschland Rassismuserfahrungen machen, sodass der erlebte Rassismus hierzulande ebenso diskutiert wird. Hinsichtlich der Rassismusdebatten kommt immer wieder die Frage auf: „Wie nennt man nun Menschen mit dunklerer Haut?“ 

Diese Debatte ist besonders für viele Nicht-Schwarze Menschen unübersichtlich. Neben den alten Bezeichnungen „farbig“, „dunkelhäutig“ oder gar dem „N-Wort“ kommen nun neue Bezeichnungen wie „Schwarze“ und „BIPoc“ (Black, Indigenous, People of Color) dazu. Dabei scheint auch unklar, welche der Bezeichnungen rassistische Konnotationen haben und welche nicht. Letztendlich möchten viele Nicht-Schwarze Menschen nicht als „Rassist*innen“ stigmatisiert werden, weil sie „etwas Falsches“ sagen. Hilfreich ist, zwischen Fremd- und Selbstbezeichnungen zu unterscheiden. 

Fremdbezeichnung
Fremdbezeichnungen sind Begriffe bzw. Wörter, die von Personen außerhalb einer Gruppe verwendet werden, um die Gruppe oder Mitglieder der Gruppe zu beschreiben bzw. zu benennen. Dabei sind Fremdbezeichnungen von einer Mehrheitsgesellschaft gewählt, die sich selbst als Norm definiert, um sich von den „Anderen“ abzugrenzen. Demnach selektieren Fremdbezeichnungen bereits auf der sprachlichen Ebene, wer der vermeintlichen Norm entspricht und wer „anders“ ist. 


Auch der Begriff „farbig“ ist eine Fremdbezeichnung



In der Rassismusdebatte ist die Mehrheitsgesellschaft weiß. Weiß ist dabei kein biologischer Begriff, der die Hautfarbe definieren soll, weshalb der Begriff „weiß“ kursiv geschrieben wird. Das politische Weiß stellt eine vermeintliche Norm dar, die auf Privilegien weißer Menschen aufmerksam macht und verdeutlicht, dass weiße Menschen nicht von Rassismus betroffen sind. Das bedeutet nicht, dass weiße Menschen nicht Diskriminierung erfahren können. Viel eher umfasst der Begriff „Rassismus“ eine zusätzliche strukturelle und institutionelle Benachteiligung, die weiße Menschen nicht erfahren. Weiße Menschen werden demnach nicht wegen ihrer Hautfarbe vom Bildungs-, Wohnungs- und Arbeitsmarkt systematisch ausgeschlossen (vgl. Schwarz 2020:…

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Der Autor

Sidney Oliveira ist Mitarbeiter am Arbeits­bereich der Didaktik sozialwissenschaftlicher Fächer an der Universität Hamburg. Er ist für die Landeszentrale für politische Bildung tätig und Mitstreiter der Initiative „Bildung Macht Rassismus“.