Rechtsextremismus im Umwelt- und Naturschutz

Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) bietet Schulungen für Multipli­kator*in­nen aus Umweltschutz- und Ökologiekontexten und dem ländlichen Raum an. Die praxisnahe Fortbildung sensibilisiert für extrem rechtes Interesse an Natur- und Umweltschutz und eröffnet einen Resilienz stärkenden Lernraum, um autoritären Anrufungen präventiv und nachhaltig zu begegnen.

Die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) untersucht die historischen und aktuellen Verknüpfungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit extrem rechten und völkischen Strömungen. Für haupt- und ehrenamtlich Aktive im Bereich des Natur- und Umweltschutzes sowie für Auszubildende in den ‚grünen Berufen‘ (zum Beispiel im Ökolandbau) und Menschen im ländlichen Raum bietet die Fachstelle eine Multiplikator*innen­schulung an. Diese findet zweimal jährlich und in je drei aufeinander aufbauenden Modulen statt.

Der rechte Natur- und Umweltschutz ist verknüpft mit rassistischen und völkischen Ideen Das Angebot verfolgt zwei Ziele. Zum einen findet eine Auseinandersetzung auf der Metaebene statt, um das Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern. In der Schulung werden personelle und konzeptionelle Kontinuitäten im Natur- und Umweltschutz erarbeitet sowie Schnittmengen und Anknüpfungspunkte an extrem rechte Positionen und aktuelle Akteur*innen im Natur- und Umweltschutz identifiziert. Auch werden Strategien vermittelt, mit deren Hilfe die Teilnehmenden sich und ihre jeweiligen Kontexte bei der Entwicklung demokratischer Werte und Prinzipien sowie einer selbstreflektierenden Praxis unterstützen können.

Zum anderen wird ein Rahmen geschaffen, der besonders in Zeiten autoritärer Versuchungen eine partizipative Bildung verfolgt, um die Teilnehmenden in ihrer Empathie- und Aushandlungsfähigkeit und bei solidarischem Handeln zu unterstützen. Das ist eine Voraussetzung, um Kritik-, Konfliktfähigkeit und Pluralität vielfaltssensibel und machtkritisch zu fördern und letztendlich Resilienz zu stärken.

Dieser Ansatz kann verwundern, werden Natur- und Umweltschutzszenen in der Öffentlichkeit doch zumeist mit alternativen Lebensstilen, liberalen Werten und progressiven Gesellschaftsentwürfen verknüpft. Die mehr als 100-jährige Geschichte des deutschen Naturschutzes, die immer wieder auch Verknüpfungen und Überschneidungen mit nationalistischen und völkischen Ideen und Strömungen aufweist, ist kaum präsent. Auch die Verstrickungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit dem Faschismus im Zweiten Weltkrieg und nationalsozialistischen Verbrechen sind in der Öffentlichkeit wenig bekannt.

Gerade aufgrund dieser Vergangenheit bietet die Multi­plikator*innenschulung an, menschenbejahende und vielfaltsbegrüßende Aushandlungsprozesse bei gleichzeitiger inhaltlicher Weiterbildung einzuüben.

Autoritäre Sehnsüchte: Naturliebe und Menschenhass
Dass sich extrem rechte Personen und Gruppierungen im Natur- und Umweltschutz engagieren, ist nicht neu. Obgleich manche Forderungen von demokratischen Umwelt- und Naturschutzorganisationen und rechten Akteur*innen auf den ersten Blick ähnlich oder gar gleich klingen, offenbart eine genauere Analyse die Unterschiede in den dahinterstehenden Überzeugungen: Der rechte Natur- und Umweltschutz ist verknüpft mit rassistischen, biologistischen und völkischen Ideen.

In Erscheinung treten die Alte und Neue Rechte ebenso wie Menschen aus dem rechtsesoterischen Milieu, aber auch rechtspopulistische Parteien. Gemeinsam ist ihnen, dass sie bei der Beantwortung natur- und umweltschutzrelevanter Fragen auf affektive Komponenten setzen. Bedient werden vor allem Ressentiments und Ängste. Die autoritären Antworten auf ökologische und soziale Fragen suggerieren einfache Lösungen für eine krisenhafte und komplexe Welt. Fragen nach dem Klimawandel werden mit rassistischer Bevölkerungskontrollpolitik, völkischer Heimatliebe und einem daraus abgeleiteten patriotischen Bioregionalismus, einer restriktiven Migrationspolitik zum Ressourcenschutz sowie Kulturpessimismus und antimoderner Zivilisationskritik beantwortet. Ziel ist die Diskursverschiebung nach rechts und die Erreichung von kultureller und politischer Hegemonie.


Rechtsextreme verstehen sich oft als Natur- und Umweltschützer*innen



Dennoch ist das Engagement extremer Rechter in diesem Zusammenhang nicht nur als bloße Unterwanderungsstrategie zu werten. Vielmehr verstehen sich Rechtsextreme tatsächlich oft als Natur- und Umweltschützer*innen. Sie begreifen Natur- und Umweltschutz als originär rechtes Thema und beziehen sich dabei auf die völkisch-autoritären Traditionslinien des deutschen Naturschutzes (vgl. Heinrich/Kaiser/Wiersbinski 2015) – also auf die Heimatschutzbewegung, auf Teile der Lebensreformbewegung sowie auf die „Blut und Boden“-Ideologie im Nationalsozialismus. Zu diesem Narrativ gehört auch die Vorstellung, dass „Die Grü­nen“ das Thema gekapert hätten und man es nun mühsam zurückerobern müsse.

Neben dem identitätsstiftenden Moment sind für rechte Gruppierungen Natur- und Umweltschutzthemen aber auch aus Imagegründen interessant. Mit ökologischen Themen können antidemokratische Gruppierungen über parteipolitische Grenzen hinweg Sympathien gewinnen.

Autoritäre Platzanweisungen im Namen der Natur
Das Interesse an Natur- und Umweltschutz ist in der gesamten Bevölkerung groß. Für junge Erwachsene ist Umwelt- und Klimaschutz aktuell eines der präsentesten Themen und wichtiger denn je. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie des BMUV „Zukunft? Jugendfragen!“ (vgl. BMUV 2021b). 88 Prozent der Erwachsenen sind der Meinung, dass Naturschutz notwendig ist, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen (vgl. BMUV 2022a).

Aber wie sehr stoßen autoritäre Anrufungen im naturschutz- und ökologiebewegten Teil der Zivilgesellschaft auf fruchtbaren Boden? Eine explorative Studie der Fachstelle unter Studierenden der grünen Berufe kommt zu dem Ergebnis, dass die überwiegende Mehrheit (knapp 95 Prozent) der Befragten der Meinung ist, Herausforderungen der Umweltkrise dürften nicht zu einem Abbau demokratischer Strukturen führen. Bei der Bewältigung von Umweltproblemen sollten Positionen von Minderheiten und strukturell benachteiligte Menschen mehr Beachtung als bisher finden, so die Befragten. Ein Drittel der Befragten verspürt angesichts der zu lösenden Umweltprobleme aber auch den Wunsch, jemand möge entschieden durchgreifen und zur Not auch demokratische Prozesse vernachlässigen. Ein Drittel ist offen für Querfrontzusammenschlüsse. Ebenso viele stimmen der von rechts bespielten Forderung zu, es solle Geburtenkontrollen im globalen Süden als Maßnahme gegen Umweltprobleme geben. Gleichzeitig sind 15 Prozent der Studierenden selbst mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit konfrontiert und berichten von rechten Unterwanderungs- und Störungsversuchen im universitären Umfeld (vgl. FARN: 2022).

Dass rechte Akteur*innen und völkisches Gedankengut Einfluss auf die Arbeit von Natur- und Umweltschutzverbänden nehmen, zeigt sich auch in der Erhebung des Instituts für Diversity, Natur, Gender und Nachhaltigkeit e. V. bei den Mitgliedsverbänden des Deutschen Naturschutzrings (DNR). 31,5 Prozent der Befragten gaben an, im Rahmen ihrer haupt- und/oder ehrenamtlichen Arbeit für ihren Verband bereits Erfahrungen mit Menschen mit extrem rechter Ideologie gemacht zu haben. Außerdem gaben fast 11 Prozent der Befragten an, dass ihnen Mitglieder mit rechtsideologischen Äußerungen im eigenen Verband aufgefallen sind (Katz/Gottschlich 2020).

Wenn multiple Krisen zu Verunsicherung führen, weil bewährte Routinen nicht mehr greifen, haben autoritäre Versprechungen von eindeutig gut und böse, richtig und falsch Konjunktur. Eine weitere Umgangsstrategie, die greifen kann, ist sich zur Natur hinzuwenden als Ort der Erholung und Vergewisserung. In der aktuellen Naturbewusstseinsstudie des BMUV geben 44 Prozent der Jugendlichen und 38 Prozent der Erwachsenen an, dass die Bedeutung der Natur sich für sie im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie verändert hat und sie wichtiger geworden ist (vgl. BMUV 2021a). Dies muss nicht notwendigerweise mit extrem rechten Einstellungen einhergehen und kann vielmehr Resilienz stärken. 


Braunesoterische Behauptungen, das Corona-Virus sein eine schicksalhafte Rache der Natur 



Gleichzeitig muss das bildungsarbeiterische und präventive Augenmerk auf antimoderne Anknüpfungspunkte gelegt werden, die dann entstehen, wenn aus der Hinwendung zur Natur ein Rückbesinnen auf vermeintlich natürliche Gesetzmäßigkeiten geschlussfolgert wird. Gesellschaftliche Errungenschaften und Menschen platzanweisend in die Natur zu verorten, ist eine der gängigsten rechten Diskursstrategien. Bilder von als natürlich verstandenen Geschlechterrollen, von richtigen Männern und echten Frauen, verfangen bis in die Mitte der Gesellschaft und dienen als Scharnier nach extrem rechts. Während der Pandemie wurden braunesoterische, sozialdarwinistische Behauptungen laut, das Virus sei eine schicksalhafte Rache der Natur am Menschen, der Mensch das eigentliche Virus und Impfungen seien entsprechend abzulehnen.

Bildungsarbeit und Prävention: Resiliente Räume zum Lernen und Durchatmen
Um diese verschiedenen Dynamiken zu bearbeiten, widmet sich die Multiplikator*innenschulung, wie eingangs erwähnt, zwei verschiedenen Sphären. Die Teilnehmenden durchlaufen themenspezifische Methoden der politischen Bildung, um das Bewusstsein für extrem rechts motivierten Natur- und Umweltschutz zu schärfen. Hierbei geht es vor allem darum, menschenverachtende Grundannahmen und Denkmuster zu verstehen, um mögliche Anknüpfungspunkte an eigene Forderungen zu identifizieren. Denn nur auf dieses Wissen aufbauend lassen sich Querfronten konsequent vermeiden und demokratische sowie menschenrechtsbejahende Ansätze aktiv gestalten. Um Methodenkompetenz und Perspektivwechsel anzuregen, werden die erfahrenen Methoden auf einer Metaebene kritisch im Hinblick auf das eigene Erleben, Zielgruppen und Stolpersteine reflektiert. Dieses Feedback fließt auch in die Weiterentwicklung und Überarbeitung der Schulung ein.

Zum anderen wird ein Lernraum geschaffen, der es ermöglicht durchzuatmen. Was ist damit gemeint? Belastende Themen zu bearbeiten erfordert Ressourcen. Und insbesondere in Zeiten globaler Verunsicherung und von Krisen braucht es prozessorientierte Lernräume, die, soweit es möglich ist, von gesellschaftlichen Anforderungen entlasten. Es geht darum langsamer zu werden, Gleichzeitigkeit und Komplexität auszuhalten, sodass Teilnehmende die Muße und Ruhe finden können, sich auf Themen einzulassen und berührbar zu werden. Die Erfahrung zeigt, dass eine nachhaltige Selbstreflektion für Teilnehmende dadurch zugänglicher wird und kontroverse Diskussionen bereichernder.

Denn komplexe und bewegende Themen zu bearbeiten, benötigt Zeit und einen stärkenden Rahmen. Die Schulungen finden an naturnahen Orten statt. So wird gewährleistet, dass in den Pausen Entspannung und Bewegung möglich ist. Der Ablauf orientiert sich an den Bedürfnissen und Prozessen der Gruppe. Wo Bedarfe nach mehr Zeit oder Pausen bestehen, wird diesen nachgegangen. Außerdem wird geschlechterreflektiert gearbeitet. Es wird weder erwartet noch eingefordert, dass Teilnehmende sich entlang gesellschaftlich anerkannten Verhaltensweisen von Männlich- und Weiblichkeit verhalten. Das hat grundlegende Auswirkungen auf die Moderation und Haltung der Leitung. Ein wesentlicher Baustein besteht daraus, die eigene Arbeitsweise und die Atmosphäre stetig auf Vorannahmen und Einengungen zu screenen. Geschlecht als Kategorie soll nicht abgeschafft werden, sondern lediglich restriktiven Aspekten von Geschlechterbildern und Verhaltensweisen eine Absage erteilt, bei gleichzeitiger Offenheit für alles andere (vgl. Bell i.E.).


Komplexe Themen zu bearbeiten, benötigt Zeit und einen stärkenden Rahmen



Die ineinandergreifenden Bausteine der Schulung machen es möglich, aus einem gesellschaftlichen Modus von Unsicherheit herauszukommen, die eigene Haltung nachhaltig zu gestalten und die Resilienz gegenüber autoritären Versuchungen zu stärken.


Literatur
Bell, Robin (i.E.): Geschlechterreflektierte Gelingensbedingungen für politische Bildung in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche. FARN, Berlin.

BMUV (2021a): Naturbewusstseinsstudie 2021. Bevölkerungsumfrage zu Natur und biologischer Vielfalt. Bonn.

BMUV (2021b): Zukunft? Jugend fragen! Umwelt, Klima, Wandel – Was junge Menschen bewegt. Berlin.

FARN (2022): Ist-Analyse unter Studierenden der grünen Berufe hinsichtlich des Themenfelds Natur-/Umweltschutz und Rechtsextremismus. Berlin.

Gottschlich, Daniela/Katz, Christine (2020): Einflussnahme und Vereinnahmung – Rechte Akteur*innen im Umwelt- und Naturschutz. In: Jahrbuch der Ökologie 2021. Stuttgart, S. 72–81.

Heinrich, Gudrun/Kaiser, Klaus-Dieter/Wiersbinski, Norbert (Hg.) (2015): BfN Schriften 394 – Naturschutz und Rechtsradikalismus. Bonn.

Der Autor

Robin Bell ist Referent bei FARN und forscht, bildet und berät zu den Themen Rechtsextremismus, Ökologie von rechts und rechte Esoterik.

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