Kritische demokratische Bildner*innen?

Im Diskurs der politischen Bildung zeigen sich normative Ansprüche an Bildner*innen der politischen Bildung. Laut der Frankfurter Erklärung (2015) müssen sie sich „ihrer gesellschaftlichen Einbindung bewusst [sein] und dazu eine kritisch-reflexive Position [einnehmen], die sie transparent und damit kritisierbar macht.“ Wie und ob politische Bildner*innen eine solche Vorstellung erfüllen wollen, müssen oder können, bleibt in der Forschung jedoch überwiegend unsichtbar. Ein explorativer Zugang zur Selbstwahrnehmung von Bildner*innen eröffnet neue Perspektiven auf Herausforderungen und Rahmenbedingungen einer kritischen politischen Bildung.


Im Lichte der steigenden Armutsgefährdung durch die Auswirkungen des Angriffskriegs auf die Ukraine, die Klimakrise oder die Corona-Pandemie steht die politische Bildung als Bildungsakteurin und „integraler Bestandteil demokratischer Gesellschaften“ (Niggemann, 2020: 2) gesellschaftlichen, ökologischen, sozialen und politischen Krisen gegenüber. Solche Krisen wirken als Katalysator bestehender sozialer Ungleichheiten und schmälern den Willen zur politischen Partizipation und das Vertrauen in die Politik. Besonders präsent im gegenwärtigen Diskurs der politischen Bildung Deutschlands ist der Ansatz einer kritischen politischen Bildung, die wirkende Macht- und Herrschaftsverhältnisse zum Gegenstand ihrer Bildungsarbeit macht. Durch die Thematisierung gesellschaftlicher Strukturen sollen diese sichtbar gemacht werden. Dies soll besonders Menschen ansprechen, die nicht oder nur begrenzt gesellschaftlich teilhaben können. Genauer hat eine kritische politische Bildung mit der Verwirklichung einer kritischen Mündigkeit zum Ziel, Emanzipation aus unterdrückerischen Verhältnissen zu ermöglichen und eine kritische Handlungsfähigkeit anzuleiten. Neben fachlichen Diskussionen und der Weiterentwicklung von Methoden, Inhalten und Theorien fällt allerdings diejenige Gruppe an Akteur*innen aus dem Blick, die hauptsächlich für die Gestaltung und Umsetzung politischer Bildungsprozesse verantwortlich ist: In der politischen Bildung tätige Bildner*innen.

Wie wirkt sich deren Selbst- und Weltbild auf die Gestaltung und Umsetzung von kritischer politischer Bildung aus? Welche Rolle spielen die Bildner*innen in einem vermeintlich emanzipativen Lehr-Lern-Verhältnis? Welche Konzepte des Selbst und von Bildung leiten die eigene Arbeit an? Welche Grenzen nehmen die Bildner*innen in ihrer Tätigkeit wahr? Diese Fragen beschäftigten mich im Rahmen meiner Masterarbeit, in der ich Bildner*innen einer kritischen politischen Bildung interviewt habe. Diese betrachte ich als organische Intellektuelle. Sie üben dem italienischen Philosophen Antonio Gramsci (1891–1937) zufolge durch die Organisation und Vermittlung von Wissen und Konsens bzw. Dissens eine…

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Die Autorin

Elena Maier, M.A. Kulturwissenschaft, arbeitet zu kritischer Gesellschaftstheorie, besonders mit feministischen und rassismuskritischen Perspektiven auf Verhältnisse sozialer Ungleichheit in gesellschaftlicher und politischer Teilhabe sowie herrschaftskritischen Perspektiven auf Bildung(-sverhältnisse). Sie ist in der diskriminierungskritischen außerschulischen politischen Bildung tätig.

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