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Intersubjektive Bildungs­theorie als Grundlage politischer Bildung

Tom Kehrbaum: Zwischenmenschliche Bildung und politische Handlungsfähigkeit. Eine Theorie der Praxis gewerkschaftlicher Bildung. Frankfurt/M. (Wochenschau Verlag) 2021, 495 S., 49,90 € 


Ausgangspunkt der Forschungsarbeit, die hier als Dissertationsschrift vorliegt, ist die Annahme, dass gewerkschaftliche Bildung „im Gegensatz zu anderen Formen der schulischen und außerschulischen politischen Bildung eine Besonderheit [aufweist]: Der gemeinsame Lernprozess erhält durch gemeinsam geteilte Erfahrungen im Arbeitsleben seinen Lernanlass und bezieht das Miteinander-, Voneinander- und Füreinanderlernen systematisch auf gemeinsame Handlungsziele“ (9). Ziel der Studie – so Tom Kehrbaum – ist es, die „gewerkschaftliche Lern- und Bildungstheorie pragmatistisch weiterzuentwickeln“ (10) und dabei die zwischenmenschliche Kooperation und die Fähigkeit, sich über gemeinsam geteilte Ziele und Werte zu verständigen, in den Mittelpunkt zu stellen. Gerade vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Krisenstimmungen, antidemokratischer Tendenzen und Populismen sowie der Infragestellungen demokratischer Grundprinzipien erhält die Frage nach (gemeinschafts)stärkenden politischen Bildungsprozessen eine besondere Virulenz. Wie und unter welchen Voraussetzungen sind zwischenmenschliche Interaktionen zu gestalten, um Menschen darin zu unterstützen, ihre politische Handlungsfähigkeit ausbilden und ausüben zu können?

Im Kontext didaktischer Theorien und Konzeptionen geht es Kehrbaum darum, den subjektorientierten Ansatz hin zu einer intersubjektiven Bildungstheorie weiterzuentwickeln und „Intersubjektivität als didaktische Kategorie systematisch [zu berücksichtigen]“ (273). Den theoretischen Ausgangspunkt bilden dabei die bildungs- und demokratietheoretischen Ansätze des amerikanischen Philosophen und Pädagogen John Dewey (1859–1952). Vor dem Hintergrund aktueller wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen stellt der Verfasser bildungstheoretisch fundierte didaktische Überlegungen politischer und demokratischer Lernprozesse an, die weit über gewerkschaftliche Bildungsansätze hinausweisen und denen deshalb eine Rezeption auch in der schulischen politischen Bildung zu wünschen wäre.

Nach einem kurzen Überblick über die Geschichte der gewerkschaftlichen Bildung (Kap. 2) und einer fundierten Einführung in Deweys Philosophie des Sozialen (Kap. 3) erfolgt im Hauptkapitel (Kap. 4) eine Neubetrachtung und Erweiterung der zentralen bildungstheoretischen Begriffe Erfahrung, Reflexion, Bewusstsein, Kritik, Subjekt/Emanzipation und Interaktion/Kommunikation. Unter Einbezug weiterer Theoriebestände – bspw. Michael Tomasellos evolutionärer Anthropologie und James Tullys interaktionaler politikwissenschaftlicher Perspektive – zeigt der Verfasser, wie mit „der durch Dewey entwickelten interaktionalen…

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Die Autorin

Dr. Susann Gessner ist Professorin für Didaktik der politischen Bildung an der Philipps-Universität Marburg. Forschungsschwerpunkte: schulische politische Bildung, politische Bildung im Kontext von Migration, qualitative Forschung in der politischen Bildung und bildungstheoretische Fragen politischer Bildung.

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