Debatte um die „rote Linie“

Klaus-Peter Hufer, Laura Schudoma: Die Neue Rechte und die rote Linie. Weinheim u. a. (Verlag Beltz Juventa) 2022, 151 S., 19,95 €


Bei einer umfangreichen wissenschaftlichen Literatur zum rechten Populismus und Ex­tremismus, zur Neuen Rechten und zu vielfältigen Phänomenen im Rechtsaußenlager sowie zur Gefährdung der Demokratie kann der vorgelegte Band als ein spezifischer Blick auf den Erkenntnisstand charakterisiert werden. Dabei betonen die Autorin und der Autor, dass im Mittelpunkt die Auseinandersetzung mit der „roten Linie“ steht, d. h. mit den Produzenten von Ideologien und deren gesellschaftlicher Resonanz in der Mitte einerseits und andererseits mit den Anhängern, die sich diesseits der roten Linie an Schnittstellen und an Grenzen bewegen. Diese „mit Wissen und guten Argumenten“ (8) anzusprechen, zu erreichen und sie für die liberale, soziale und plurale Demokratie zu gewinnen, ist Ziel der Publikation.

In sieben Kapiteln wird ein breites Panorama angeboten, in dem es zunächst um die „herausgeforderte Demokratie“, um politische und gesellschaftliche „Megatrends“ und um „Prozesse der Entsolidarisierung“ geht. Es folgen in zwei Kapiteln zentrale Hinweise zu den Strategien einer „Kulturrevolution von rechts“ und den „Themen der Rechten“. Abschließend sind Überlegungen zum aktiv werden und „rote Linien“ erkennen sowie eine thesenartige Zusammenfassung zu lesen.

In den ersten drei Kapiteln geht es vor allem um begriffliche Klärungen und demokratiefeindliche Merkmale des rechten Populismus und Extremismus sowie der Neuen Rechten. Der Diagnoseblick auf die Megatrends markiert vor allem ausgewählte Folgen der Individualisierung mit ihrem Verlust an Sicherheit und verbreiteten Einsamkeitsgefühlen, dann den Zusammenhang von Globalisierung und Gewinnmaximierung. Die Prozesse der Entsolidarisierung verweisen auf gesellschaftliche Spaltungsprozesse und Identitätspolitik, dann auf sechs Krisenentwicklungen in der Demokratie, zu denen u. a. der Verlust an Ligaturen, die Dominanz betriebswirtschaftlichen Denkens und Fundamentalismen als einfache Lösungsangebote gehören.

Mit der Skizzierung der Ideenwelt und der Themen der Neuen (und alten) Rechten wird vor allem auf deren Vorstellungen und die Akteure der Metapolitik bzw. des Kampfes um Begriffe und „kulturelle Hegemonie“, dann auf die Bedeutung von Sprache, den Kampf um Bilder und Deutungen sowie die Onlinestrategien als „Machtmittel“ hingewiesen. Weiter werden die vielfältigen Bündniskonstellationen im und über das eigene Lager hinaus – z. B. mit „Patrioten“ und „Corona-Leugnern“ oder „Freien Bürgern“ – kenntnisreich dargelegt. Von den Themen und Politikfeldern der Rechten werden mit „Geschichtspolitik“, „Islam“, „Migration und Asyl“ und „Naturverständnis“ vier wesentliche Kerne herausgearbeitet, mit denen „die rote Linie verrückt werden soll“ (97).

Der Markierung der…

Weiterlesen mit JOURNAL+

Lesen Sie diesen und alle weiteren Beiträge aus dem Journal für politische Bildung im günstigen Abonnement.
Mit Ihrem Abonnement erhalten Sie die vier gedruckten Journal-Ausgaben im Jahr sowie vollen Zugriff auf alle Journal+ Beiträge des Online-Angebots.
Jetzt abonnieren
Sie haben das Journal für politische Bildung bereits abonniert?
Jetzt anmelden

Der Rezensent

Prof. em. Dr. Benno Hafeneger lehrte und forscht an der Philipps-Universität Marburg zu „Jugend und außerschulische Jugendbildung“ und ist Mitglied der JOURNAL-Redaktion.

Ein Beitrag aus