Bildung Raum geben
Mit dem Begriff der Bildungsstätte wird ein traditioneller Ort der Jugend- und Erwachsenenbildung in den Mittelpunkt gerückt. Dabei geht es nur nachrangig um empirische Perspektiven auf die unübersichtliche Landschaft der Bildungsstätten und den vorhandenen ökonomischen Druck. Ins Zentrum gestellt werden dafür bildungstheoretische und -praktische Reflexionen zur Bedeutung des physisch-materiellen Raumes für pädagogisches Denken und Handeln.
Ohne Umschweife gilt es zunächst zu klären, was
unter dem Begriff der Bildungsstätte verstanden
werden kann. Ihrem Wortsinn nach handelt es sich
bei einer Bildungsstätte um einen Ort, an dem sich
eine bauliche Infrastruktur befindet, die Lern- und
Bildungsprozessen Raum geben sollen, also ein
pädagogisch-professionell gestalteter Bewegungsund
Entwicklungsraum, an dem Menschen ihre
Fähigkeiten entwickeln können und sollen; darunter
fallen bspw. Schulen, Universitäten oder auch
Volkshochschulen. Eine spezifische Form der Bildungsstätte,
wie sie nachfolgend verhandelt wird
und wie sie sich in der non-formalen Jugend- und
Erwachsenenbildung in einer über 100-jährigen
Geschichte etabliert hat, zielt auf Einrichtungen
mit residenziellem Zuschnitt. Andere Bezeichnungen
für Bildungsstätten dieser Art sind auch Heimvolkshochschulen,
Bildungszentren, Akademien, Institute
oder auch Tagungshäuser. Wie Paul Ciupke feststellt,
weist Deutschland „wahrscheinlich [eine; LE]
weltweit beispiellose Infrastruktur an Bildungsstätten“
auf (Ciupke 2010: 316). Bei Bildungsstätten handelt es sich um eigensinnige
Orte der außerschulischen Jugend- und
Erwachsenenbildung, die über eigene Seminar- und
Veranstaltungsräume verfügen und in der Regel
Übernachtungsmöglichkeiten inklusive Verpflegung
vorweisen. Ihre teilweise besondere Lage und
Gebäudekomplexe (u.a. ehemalige Schlösser,
Klöster, Villen, etc.) sind darüber hinaus kennzeichnend.
Es sind Orte der Jugend- und Erwachsenenbildung,
an denen soziale Interaktion, intellektuelle
und emotionale Arbeit themenspezifisch aus lernund
bildungstheoretischer Perspektive von pädagogischem
Personal in den Blick genommen
werden. Da dies in meist mehrtägigen Formaten
stattfindet (3–5 Tage ist mittlerweile die verbreitete
Seminardauer), werden ebenfalls Fragen und
Aushandlungsprozesse des Zusammenlebens und
der Zusammenarbeit sowie die Gestaltung von
offenen Zeiträumen (Nicht-Arbeitszeiten) zum
Thema. An dieser Stelle lohnt sich eine geschichtliche
Kontrastierung: Die in der Weimarer Republik
sich etablierenden Heimvolkshochschulen boten
Kurse mit dreimonatiger Dauer an. Bis in die 1980er
wurden diese mehrwöchigen Veranstaltungen
noch angeboten (vgl. Ciupke 2010: 317). Die
räumliche, einst auch größere zeitliche Distanz soll
einen Bruch mit alltäglichen Handlungsvollzügen
bewirken und positiven Einfluss auf die Bildungsprozesse
ausüben.
Die historisch gewachsene plurale Trägerlandschaft
in der Jugend- und…
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Der Autor
Lukas Eble ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter im Fachgebiet
Erwachsenenbildung an der
Fakultät
für Bildungswissenschaften
der Universität Duisburg-Essen.
Arbeitsschwerpunkte: Kritische
Bildungstheorie mit besonderem
Fokus auf Solidarität