Rebuild the World?!
Politische Bildung mit LEGO®-Steinen
Wenn auf den Tischen im Seminarraum LEGO®-Steine ausliegen, greifen Teilnehmer*innen unmittelbar zu, klemmen und stecken zusammen, tauschen sich aus. Sie modellieren, kombinieren, fantasieren. Sie bauen, reißen ab – und beginnen von neuem. Doch inwieweit können Klemmbausteine als spielerisch-ästhetischer Zugang auch politische Bildungsprozesse unterstützen? Welche Potenziale können sich durch eine politisierte Variante von Lego® Serious Play® für eine kritisch-emanzipatorische politische Bildung entfalten?
Mit dem Slogan „Rebuild The World!“ hat 2019 ein dänischer Klemmbausteine-Hersteller für seine Produkte mit einer aufwändigen Kampagne geworben, in der explizit politische Themen angeschnitten werden: Machtverhältnisse werden infrage gestellt und umgekehrt, wenn der gejagte Hase sich zum Jäger transformiert; aus dem motorisierten LEGO®-Kleinwagen entweichen nur noch Blumen statt Abgase; das Einstehen für Diversität wird durch einen bärtigen Cheerleader sichtbar gemacht und eine Meute kleiner Fische jagt einen großen Hai (LEGO 2019). Eine andere, gerechtere und nachhaltigere (Bausteine)Welt scheint möglich. Beim Spielen mit LEGO®-Steinen, so das Versprechen, könnten junge Menschen kreative Lösungen finden, Selbstvertrauen aufbauen und Resilienz stärken.
Die Werbekampagne will den Eindruck erwecken, dass im Spiel mit LEGO®-Produkten Kompetenzen erworben werden, mit denen junge Menschen zu positiven gesellschaftlichen Veränderungen beitragen können. Auch wenn es auf den ersten Blick lobenswert scheint, ungleiche Machtverhältnisse infrage zu stellen, Fantasie und utopisches Denken anzuregen und junge Menschen zu empowern, ist diese „Rebuild the World“-Aufforderung in vielerlei Hinsicht problematisch: Sie reproduziert die Vorstellung, dass Lösungen gesellschaftlicher Probleme allein durch technische Innovationen und individuelle Handlungen erreicht werden. Dabei werden zwar positive Werte wie Vielfalt und Nachhaltigkeit betont, zugleich aber der gegenwärtige Status quo affirmiert und die Perspektive einer notwendigen gesellschaftlichen (sozial-ökologischen) Transformation vernachlässigt.
Will politische Bildung an (Lern-)Potenzialen anknüpfen, die durch LEGO®-Steine in Bildungskontexten entstehen, braucht es eine re-politisierte Perspektive: Diese muss über die Anrufung individueller Verantwortung hinausgehen, institutionalisierte Herrschaftsverhältnisse in den Blick nehmen und sich an einer kritisch-strukturellen Analyse politischer Probleme und Konflikte orientieren.
Klemmbausteine als methodisch-
didaktischer Zugang politischer Bildung
Die Verwendung von LEGO®-Steinen in pädagogischen Kontexten knüpft an die Ideen von Edutainment und Playful Learning an, kann aber auch als Teil ästhetischer Bildungszugänge verstanden werden: Die Lernarrangements ermöglichen…
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Der Autor
Oliver Emde ist Studienleiter für Politische Jugendbildung und Pädagogik an der Ev. Akademie Hofgeismar und assoziierter Wissenschaftler am Fachgebiet Didaktik der politischen Bildung an der Universität Kassel. Arbeitsschwerpunkte: Politische Lernarrangements im öffentlichen Raum, Politisches Lernen in/durch Soziale Bewegungen, Globales Lernen und imperiale Lebensweise.