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Räume für Vielfalt, Teilhabe und Solidarität

Politische Bildung im Kinder- und Jugendplan des Bundes

Im Rahmen des Kinder- und Jugendplans (KJP) fördert das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend bundesweite Träger der politischen Jugendbildung. Diese Förderung bewährt sich gerade in Krisenzeiten. Denn der KJP ermöglicht, was gerade jetzt für Kinder und Jugendliche besonders wichtig ist: Verlässliche Strukturen und Räume, in denen Vielfalt, Teilhabe und Solidarität erlebt werden können.


Die neue Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt: „Den Kinder- und Jugendplan als zentrales Finanzierungsinstrument für die Kinder- und Jugendarbeit wollen wir in einem ersten Schritt um zehn Prozent besser ausstatten und anschließend die Finanzierung dynamisieren.“ (CDU, CSU und SPD 2025, Ziffer 3199 f) Diese Ankündigung ist für die bundesweiten Träger, die in den fünf Handlungsfeldern des KJP gefördert werden, ein positives und lange überfälliges Signal. Seit Jahren fordern sie, den KJP bedarfsgerecht auszustatten und eine dynamische Erhöhung einzuführen, mit der Lohnsteigerungen und die Inflation regelmäßig ausgeglichen werden. Zwar ist das Förderinstrument nominal zwischen 2014 und 2024 von 147,6 Millionen Euro auf 243,8 Millionen Euro gewachsen. Doch ging dieser Anstieg mit neuen Förderungen wie zum Beispiel dem Respekt Coach-Programm und gesetzlich festgelegten Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe einher. Die initiativeKJP geht daher mit Bezug auf Schätzungen des BMBFSFJ von einem Bedarf von mindestens 300 Millionen Euro aus, um die Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene nachhaltig zu finanzieren (vgl. InitiativeKJP 2024). Umso wichtiger ist es, dass der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag schnell konkrete Umsetzungsschritte folgen. Aus dem Wollen muss ein Tun werden.

„Die initiativeKJP“
Die initiativeKJP wurde 2023 vor dem Hintergrund drohender Kürzungen des KJP ins Leben ­gerufen. Ihr Ziel ist es, dieses zentrale Förderinstrument der Kinder- und Jugendhilfe auf Bundesebene langfristig und nachhaltig zu stärken. Die fünf Handlungsfelder des KJP: Kinder- und Jugendarbeit und außerschulische Kinder- und Jugendbildung, Jugendsozialarbeit und Integration, Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege, Hilfen für Familien, junge Menschen, Eltern und andere Erziehungsberechtigte und weitere bundeszentrale Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe. In der initiativeKJP sind sieben bundeszentrale Verbände zusammengeschlossen:
  • die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ 
  •  der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V. (AdB) 
  •  die Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendarbeit (BAG OKJA) 
  •  die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) 
  • der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) 
  • die Deutsche Sportjugend (dsj) im Deutschen Olympischen Sportbund 
  • die Gemeinsame Initiative der Träger politischer Jugendbildung (GEMINI)

Vom Wollen zum Tun!

Eine Erhöhung des KJP ist für die Träger der politischen Jugendbildung von herausragender Bedeutung. Zwar kommt nur ein geringer Teil der KJP-Mittel dem eigenständigen Förderbereich „politische Bildung“ im „Handlungsfeld 1: Kinder und Jugendarbeit und außerschulische Kinder- und Jugendbildung“ zugute. Dennoch spielt diese Förderung sowohl für die bundesweiten Fachverbände als auch deren Mitgliedseinrichtungen eine fundamentale Rolle. Denn im KJP steht die bundeszentrale Infrastruktur der freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Mittelpunkt. Zur ihrer „Sicherung und Stärkung […] können Verbände, Fachorganisationen sowie Aktivitäten gefördert werden, die eine auf einen längeren Zeitraum angelegte, überregionale fachliche Arbeit auf der Basis des SGB VIII in einem oder mehreren Handlungsfeldern bzw. handlungsfeldübergreifend leisten“ (KJP-Richtlinie: 2 (1)). Als „Zentralstellen“ übernehmen die Verbände und Fachorganisationen vielfältige Aufgaben der Steuerung, der Evaluation und der Umsetzung fachlicher Standards. Sie sorgen dafür, dass die Arbeit mit Blick auf aktuelle gesellschaftspolitische Herausforderungen und Fachdiskurse kontinuierlich weiterentwickelt wird. Sie machen Fach- und Qualifizierungsangebote, sorgen für kollegialen Austausch und Transfer, entwickeln Formate und Methoden.

In der jüngeren Zeit lässt sich diese bundesweite Impuls- und Anregungsfunktion beispielhaft in Themenfeldern nachvollziehen, die zu Recht im Fokus des Interesses stehen: In der politischen Medienbildung und der Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz, der Gestaltung einer sozial-ökologischen Transformation oder der Auseinandersetzung mit dem russischen Angriffskrieg und seinen Folgen für Deutschland. Die KJP-geförderten Strukturen tragen auf diese Weise zur Weiterentwicklung zeitgemäßer Angebote der politischen Jugendbildung bei. Zugleich können sie deren wirkungsvolle Verbreitung befördern, weil sie mit vielfältigen regionalen und kommunalen Partnern zusammenarbeiten. Dafür bietet die enge Verzahnung mit anderen Handlungsfeldern im KJP, für die politische Bildung essentieller Bestandteil ihres Auftrags oder ein wichtiges Querschnittsthema ist, einen guten Rahmen. Nicht zuletzt sind die bundesweiten Fachverbände über die Gremienstruktur des KJP auch Gestaltungspartner des BMBFSFJ bei der Weiterentwicklung von Jugendpolitik und politischer Jugendbildung. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass Verwaltung und Politik mit Erkenntnissen der Praxis und Fachdebatten weiterarbeiten können.


Politische Bildung in der Kinder- und Jugendhilfe

Der KJP feiert im Jahr 2025 sein 75. Jubiläum. Erfreulicherweise hat das Jugendministerium zu diesem Jahrestag dem KJP eine größere Sichtbarkeit gegeben. Der neue Slogan „Stärken, was die Zukunft trägt“ bringt auf den Punkt, worum es im Kern geht: „Der KJP ermöglicht es den zahlreichen Verbänden erst, sich nachhaltig für die Interessen von jungen Menschen einzusetzen. […] Kindern und Jugendlichen können so offene Räume gegeben werden. Dort können sie sich ausprobieren und aktiv ihre Rolle in der Gesellschaft gestalten. […] Durch die Förderung des KJP werden sie von den Trägern dabei unterstützt, Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen, gesellschaftliche Teilhabe zu erfahren und über sich hinauszuwachsen.“ (BMFSFJ 2025: 2)

Die Verortung in der Kinder- und Jugendhilfe ist dabei für die Mitglieder der GEMINI keine förderpolitische Randnotiz, sondern konstitutiv für ihr Verständnis politischer Jugendbildung. Sie orientieren sich einerseits mit ihren Angeboten an den Lebenswelten, Anliegen und Teilhabechancen junger Menschen. Andererseits bringen sie die spezifischen Perspektiven und fachlichen Zugänge der außerschulischen politischen Bildung in die Kinder- und Jugendhilfe ein. Gerade in den begrifflichen und konzeptionellen Debatten der letzten Jahre, beschreiben sie eine eigene Profession und Konzeption politischer Bildung, die sich von konkurrierenden Verortungen wie Demokratiebildung, Demokratieförderung und Extremismusprävention abgrenzt. Was dies angesichts heutiger Herausforderungen bedeutet, lässt sich anhand weniger Stichworte umreißen: Der 17. Kinder- und Jugendbericht hebt zu Recht hervor, wie wichtig Verlässlichkeit gerade in Zeiten großer gesellschaftlicher Dynamiken und Unsicherheit ist, damit Kinder und Jugendliche mit Zuversicht auf Gegenwart und Zukunft schauen können. Zugleich ist ihr Aufwachsen durch eine zunehmende Vielfalt an Lebenslagen, Orientierungen und Zugehörigkeiten gekennzeichnet (vgl. 17. Kinder- und Jugendbericht 2024). Eine kleine und superdiverse Generation, die fürchten muss, dass ihre Probleme und Per­spektiven in einer alternden Gesellschaft nicht ausreichend wahrgenommen werden, wie Aladin El-Mafaalani beim 18. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag in Leipzig ausführte.

Politische Jugendbildung ist in dieser Großwetterlage in besonderer Weise gefragt, Lernräume zu gestalten, die dieser Vielfalt gerecht werden und eine offene, selbstbestimmte Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Fragen ermöglichen, die junge Menschen betreffen. Ihr Ziel ist es, eine eigenständige politische Meinungs- und Urteilsbildung von jungen Menschen und ihre politische Handlungsfähigkeit zu stärken. Sie vertritt einen konfliktorientierten Politikbegriff und lädt zu einer kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Zuständen, mit Macht- und Ungleichheitsverhältnissen ein (vgl. Wohnig 2020: 12 f.). Nicht zuletzt möchte sie gemeinsam mit jungen Menschen politische Gestaltungsoptionen und positive Zukunftsbilder entwickeln.


Eine vielfältige Praxis für eine vielfältige Jugend

Für eine politische Jugendbildung in einer immer diverser werdenden Gesellschaft bietet die För­derung im KJP sehr gute strukturelle Voraussetzungen. Denn die über Jahrzehnte gewachsene ­Heterogenität und zugleich Eigenständigkeit der Träger stellt eine vielfältige Praxis politischer Bildung sicher, die der Pluralität unserer liberalen Demokratie und der Vielfalt der Lebenswelt junger Menschen gerecht werden kann. Um dies auch in Zukunft sicherzustellen, muss sich diese Landschaft jedoch weiterentwickeln. Hierzu gehen die Träger politischer Bildung in der GEMINI unterschiedliche, komplementäre Wege. So unterstützt die Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et) mit dem Projekt „Neue Bündnisse, neue Wege“ muslimische Partner*innen auf ihrem Weg in die politische Jugendbildung. Der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) berät im Projekt ­„Koordinaten verschieben, Perspektiven erweitern“ seine Mitglieder bei der diversitätsorientierten Öffnung. Alle Träger arbeiten aktiv an der Schaffung diversitätssensibler Lernräume und bilden Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen für eine Tätigkeit in der politischen Jugendbildung aus.

Der Fördergeber sollte seinerseits dazu beitragen, Kooperationsprojekte zwischen etablierten und neuen Trägern zu unterstützen, verlässliche Perspektiven einer Weiterführung solcher Ansätze anbieten und strukturelle Barrieren in der Zugänglichkeit der Förderung abbauen. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die Potentiale einer engen Kooperation zwischen politischer Jugendbildung und den anderen Feldern der Kinder- und Jugendarbeit besser zu nutzen. Aufsuchende politische Bildung ist für viele Einrichtungen der politischen Bildung selbstverständlich und keinesfalls neu. Und doch entfalten Kooperationen, zum Beispiel mit der Jugendsozialarbeit, der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigungen oder in Unterkünften für junge Geflüchtete, vergleichsweise punktuelle Wirkung. Solche Kooperationen zu verstetigen und zu skalieren, kann nur langfristig gelingen. Sie brauchen eine verlässliche Förderung und stabile Rahmenbedingungen, in denen unterschiedliche Handlungsfelder mit ihren jeweiligen Professionsverständnissen und Ansätzen gemeinsam Bedarfe und Angebote entwickeln.

Für die politische Bildung ist eine solche Entwicklung unverzichtbar, um neue Zielgruppen zu erreichen und neue Lernräume zu schaffen. Schließlich darf eine zunehmende Heterogenität und Ausdifferenzierung der politischen Bildung nicht ohne ein Mehr an fachlichem Austausch und Kooperationsprojekten zwischen Einrichtungen und Verbänden erfolgen. Dies betrifft den Austausch über gemeinsame professionelle Standards, Kompetenzen und Qualifizierungswege in die politische Bildung. Es ist aber auch Voraussetzung dafür, Räume der politischen Bildung zu schaffen, in denen Diversität und demokratische Streitkultur erlebbar werden.


Unverzichtbar – aber in Gefahr

Das Bundesjugendkuratorium hat in seinen Empfehlungen für die zukünftige Bundesregierung mit Nachdruck eine starke Kinder- und Jugendpolitik eingefordert. Darin heißt es: „In der Bundesre­publik Deutschland ist eine Bedrohung der Demokratie und der sie tragenden Zivilgesellschaft zu beobachten. […] Es ist Aufgabe der Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass zukünftige Generationen in einer starken Zivilgesellschaft und Demokratie leben, die Vielfalt anerkennt und schützt.“ (BJK 2025: 4)

Diesem Befund ist aus der Perspektive der politischen Bildung unbedingt zuzustimmen. Politische Bildung ist den Menschenrechten und der Demokratie verpflichtet. Rechtsextreme und rechtspopulistische Akteure versuchen, diese Arbeit unter dem Postulat eines vermeintlichen Neutralitätsgebots zu skandalisieren und zu delegitimieren. Einschüchterungen, Anfeindungen und Bedrohungen gegenüber Akteuren der politischen Jugendbildung sind längst keine Einzelfälle mehr, sondern folgen einer klaren Strategie: Systematisch sollen Räume für zivilgesellschaftliches Engagement eingeschränkt und Angebote unterbunden werden. Verschärft wird diese Situation durch die oftmals ohnehin prekären Förderungs- und Beschäftigungsverhältnisse, mit denen Akteure in vielen Kommunen und Ländern umgehen müssen. Wenn immer weniger Akteur*innen immer größere Gebiete mit ihren Angeboten abdecken und gleichzeitig mit wachsenden Herausforderungen und steigenden persönlichen Risiken konfrontiert sind, ist Demokratiearbeit in manchen Regionen kaum noch leistbar.

Alle demokratischen Parteien sind in dieser Situation gefragt, die Arbeit der politischen Jugendbildung abzusichern und zu stärken. Die Erhöhung der KJP-Förderung kann hier nur ein wichtiger Baustein sein. Eine wirkungsvolle Bundesförderung in diesem Bereich ist zwingend auf den Erhalt von Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe und einer demokratischen Zivilgesellschaft in den Ländern angewiesen. Rechtsextreme und rechtspopulistische Akteure zielen mit ihren Politikangeboten auf die Normalisierung und Etablierung autoritärer, illiberaler und libertärer Politikangebote. Politische Jugendbildung im KJP schafft demgegenüber Räume, in denen Teilhabe ermöglicht, Vielfalt erlebt und die Arbeit an einer solidarischen Gesellschaft möglich wird. 



Literatur

Bundesjugendkuratorium (2025): Kinder- und Jugendpolitik 2025 bis 2029. Empfehlungen des Bundesjugendkuratoriums für die zukünftige Bundesregierung. Berlin.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2025): Stärken, was die Zukunft trägt. Der Kinder- und Jugendplan des Bundes. Online: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/staerken-was-die-zukunft-traegt-257586 (Zugriff vom 30.5.2025).

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2024): Zuversicht braucht Vertrauen. Die Lage der jungen Situation und der Kinder- und Jugendhilfe. Berlin.

CDU, CSU und SPD (2025): Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode. Berlin.

InitiativeKJP (2024): Deutschland hat ’nen Plan. Aufstockung und Dynamisierung des KJP für eine stabile und zukunftssichere Kinder- und Jugendhilfe. Forderungspapier. Online: www.deutschlandhatnenplan.de (Zugriff vom 30.5.2025).

Wohnig, Alexander (2020): Außerschulische politische Jugendbildung im 16. Kinder- und Jugendbericht: Begriffe, Konzepte, Herausforderungen. Expertise für den Bundesausschuss politische Bildung. Online: https://www.bap-politischebildung.de/wp-content/uploads/2021/05/210507_Bro-A4_Begriffsklaerungen-im-16-Kinder-und-Jugendbericht_RZ.pdf (Zugriff vom 30.5.2025).

Der Autor

Ole Jantschek ist Sprecher der GEMINI – der Gemeinsamen Initiative der Träger politischer Jugendbildung im Bundesausschuss politische Bildung (bap) e. V. Er leitet die Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (ET) und den Dachverband der Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD) e. V.