Politische Bildung in der Bundesrepublik der 1970er und -80er Jahre

Dr. Fritz Erich Anhelm war von 1975 bis 1979 Bundestutor der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Bildung, ab 1979 Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland e. V., ab 1985 auch Generalsekretär der „Ökumenischen Vereinigung der Akademien und der Laienzentren in Europa“ und von 1994 bis 2010 Direktor der Evangelischen Akademie Loccum. Von 2003 bis 2009 war er außerdem Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Akademien in Deutschland e. V. Er hat zahlreiche Beiträge zur Arbeit der Evangelischen Akademien und zu Konzepten und Debatten um politische Bildung veröffentlicht. 


Gerade hatte ich das Studium der Germanistik, Pädagogik und der Politischen Wissenschaften mit all den Go- und Sit-ins und eine Promotion über die Deutschlandpolitik der USA und UdSSR hinter mir, da landete ich als Referendar in der achten Klasse eines Gymnasiums und sollte lehrplanentsprechend deutsche Heldensagen unterrichten. Politische Bildung gab es am Gymnasium nicht, aber Sozialkunde an der Berufsschule. In 14-tägigem Rhythmus stand in der Lehrlingsklasse des Malerhandwerks für je eine Stunde das Regierungssystem der Bundesrepublik auf dem Lehrplan.

Angesichts dieser Situation suchte ich bald nach anderen Möglichkeiten für mein pädagogisches Engagement. Als Jugenddelegierter in der Synode der Evangelischen Kirche konnte ich daran mitarbeiten, nach der Kritik Georg Pichts an der deutschen „Bildungskatastrophe“ einen gesamtkirch­lichen Bildungsplan zu entwickeln. Dabei begegnete ich der außerschulischen Bildungsarbeit, beendete meine Zeit als Referendar vorzeitig und wechselte 1975 als Tutor zur Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung. Mit mir arbeiteten dort bundesweit ca. 40 Jugendbildungsreferent*innen der Evangelischen Akademien und der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend. So lernte ich die auf Freiwilligkeit der Teilnahme gegründete Bildungspraxis vor Ort kennen und zugleich deren förderpolitisches Umfeld auf der Bundesebene. Diese Zeit, Mitte der 1970er Jahre, war geprägt von einer höchst strittigen und heiß diskutierten praktischen und konzeptionellen Suchbewegung in der gesamten außerschulischen Jugendbildungsszene.

Von der Staatsbürgerkunde zur politischen Emanzipation Betroffener
Wichtigster Adressat der Trägergruppe war die sogenannte Arbeiterjugend, eine sich in ihrer Zusammensetzung stark verändernde Zielgruppe speziell Jugendlicher ohne Schulabschluss und fast ohne Chancen auf dem Lehrstellenmarkt sowie von Berufs­schüler*innen und Auszubildenden aus Betrieben. Das Problem der Jugendarbeits­losigkeit hatte gerade wieder einmal die öffentliche Aufmerksamkeit erreicht und war zum Gegenstand der politischen Agenda geworden.

Durch die erste wirtschaftliche Depression nach…

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Der Autor

Dr. Fritz Erich Anhelm war von 1975 bis 1979 Bundestutor der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Bildung, ab 1979 Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland e. V., ab 1985 auch Generalsekretär der „Ökumenischen Vereinigung der Akademien und der Laienzentren in Europa“ und von 1994 bis 2010 Direktor der Evangelischen Akademie Loccum. 

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