Gut gemeint tut trotzdem weh

Der Großteil der etablierten Einrichtungen und Verbände politischer Bildung in Deutschland setzt sich öffentlich für mehr Diversität und gegen Rassismus ein. Wie kommt es, dass in diesen Einrichtungen kaum festangestellte Pädagog*innen, geschweige denn Leitungen of color zu finden sind? Ein (selbst)kritischer Blick auf aktuelle Prozesse und Diskurse rassismuskritischer Entwicklung in der politischen Bildung aus der Perspektive einer weißen Bildungsstättenleitung.

Meine ersten Erfahrungen als „Teamer“ in der außerschulischen politischen Bildung machte ich zu einer Zeit, in der rassistische Pogrome und Morde in Hoyerswerda, Solingen, Mölln und Rostock-Lichtenhagen stattfanden. In der außerschulischen politischen Bildung gab es in Berlin zu dieser Zeit diverse „antirassistische“ und „interkulturelle“ Seminare und Konzepte unterschiedlicher Einrichtungen. Ich selbst wurde Teil von Arbeitsgruppen, die sich mit dem Thema auseinandersetzten, Bündnisse bildeten und Veranstaltungen organisierten – diese Gruppen bestanden zu nahezu 100 % aus weißen Aktivist*innen und Bildner*innen.

In den folgenden drei Jahrzehnten entwickelten sich die Konzepte, Formate, Seminare und Projekte kontinuierlich weiter. Der Blick auf rassistische, gesellschaftliche Schieflagen wurde bspw. in Anti-Bias- und Critical-Whiteness-Fortbildungen geschärft – Expert*innen of color waren bereit, in weißen Organisationen ihre Expertise einzubringen und weiße Pädagog*innen darauf aufmerksam zu machen, dass sie Teil eines Systems sind, welches auf rassistischen Strukturen aufbaut und ihnen Privilegien aufgrund ihres Weißseins zuspricht, welche Menschen of color verwehrt bleiben. 

Die Geschichte des Rassismus lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen, die Rassismusforschung hat auch bereits eine jahrzehntelange Geschichte und der Widerstand von Menschen, die unter diesen Strukturen leiden, ist ebenfalls älter als ich selbst. Nun könnte die Vermutung naheliegen, dass die politische Bildung bzw. die vielen Einrichtungen, Organisationen und Verbände, deren Aufgabe es ist, demokratische und diskriminierungskritische Bildungsangebote zu entwickeln und umzusetzen, entsprechend rassismuskritisch positioniert und strukturiert sind. Es müssten doch längst Strukturen etabliert sein, die Menschen of color vor Diskriminierungen schützen, es müsste Räume und Formate geben, in denen Menschen of color sich absolut sicher sein können, dass sie ernstgenommen werden, wenn sie Strukturen und Handlungen zur Sprache bringen, die diskriminierend sind und dass es umgehende entschiedene Maßnahmen gibt, wenn sie zur Sprache gebracht werden. Weiße Kolleg*innen müssten sich doch ihrer Privilegien bewusst und sensibilisiert für Diskriminierungen sein. Es müsste doch längst selbstverständlich sein, die Diversität unserer Gesellschaft in den Institutionen abzubilden, die für eine demokratische,…

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Der Autor

Roland Wylezol, Leiter der Berliner Jugendbildungsstätte Kaubstraße im Verein Alte Feuerwache e. V., Mitglied des Vorstands des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten (AdB).

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