Vom Monolog zum Dialog
Eine theaterpädagogische Annäherung an verleugnete Opfer des Nationalsozialismus
Wie können die Geschichten von Menschen, die im Nationalsozialismus als sogenannte „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ verfolgt wurden mehr Raum bekommen? Welche Zugänge und Formen der Auseinandersetzungen können dabei hilfreich sein?
Das Projekt „Vom Monolog zum Dialog“ unternimmt durch die Verschränkung von Theaterpädagogik und politischer Bildung den Versuch einer Antwort.
Anton Knödler ist einer von tausenden, die von den Nationalsozialisten verfolgt und als sogenannte „Asoziale“ in den Konzentrationslagern inhaftiert werden. Erst seit 2020 erkennt der Deutsche Bundestag diese Menschen und solche, die als sogenannten „Berufsverbrecher“ verfolgt wurden, offiziell als Opfer des Nationalsozialismus an. Der Satz „Niemand wurde zu Recht in einem Konzentrationslager inhaftiert, gequält und ermordet“ (Deutscher Bundestag 2019, S. 1), bekommt damit erstmals formale Bedeutung.
Vorgeschichte: „Niemand war zurecht in einem Konzentrationslager.“
Auch die Geschichte Anton Knödlers ist in seiner eigenen Familie lange Zeit ein Tabu. Der Theaterpädagoge Harald Hahn, der Enkel Knödlers, nähert sich mit seinem Erzähltheater „Monolog mit meinem ‚asozialen‘ Großvater“ (vgl. Hennings 2023) seiner Familiengeschichte an und setzt sich auf diesem Weg aktiv mit der Geschichte seines Großvaters auseinander, der im KZ Buchenwald inhaftiert war.
Mit seinem Stück tritt Hahn unter anderem in Weimar, in Solingen sowie in unterschiedlichen Gedenkstätten auf – so auch im Juli 2022, als er sein Stück in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg zeigt. Diese wurde 2020 im Rahmen des besagten Bundestagsbeschlusses, gemeinsam mit der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas mit der Erarbeitung einer Wanderausstellung zu den im Nationalsozialismus als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ Verfolgten beauftragt.
Die Ausstellung „Die Verleugneten – 1933 – 1945 – heute“ wird im Oktober 2024 in Berlin eröffnet (mehr Infos hier: www.die-verleugneten.de).
Ziel der Ausstellung und der damit verbundenen Arbeit, sowohl im Vorfeld als auch im Rahmenprogramm der Ausstellung ist es, die Verfolgungsgeschichte derer, die im Nationalsozialismus als „Berufsverbrecher“ und „Asoziale“ verfolgt wurden, sichtbar zu machen sowie über Scham und Stigmatisierung bis in die Gegenwart ins Gespräch zu kommen. Das Theaterstück „Monolog mit meinem ‚asozialen‘ Großvater“ beleuchtet diese Themen in künstlerischer Weise und stellt die Grundlage des Workshops „Vom Monolog zum Dialog“ dar, der in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg entwickelt wurde. Hahn und viele andere Angehörige haben sich mittlerweile im Verband vevon (Verband für das Erinnern an die verleugneten…
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Die Autor*innen
Johannes Bretting (M.A.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bildungsabteilung der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Er beschäftigt sich darüber hinaus in seiner Promotion mit der Institutionalisierung und gegenwärtigen Fragen der Gedenkstättenpädagogik.
Laura Lopez Mras (M.A.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ausstellungsprojekt „Die Verleugneten“ an der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Darüber hinaus kuratiert sie (Bildungs-)Veranstaltungen im Kontext des Ausstellungsprojekts.
Harald Hahn (Dipl.-Päd.) ist freiberuflicher Theatermacher und -pädagoge, Supervisor und Lehrbeauftragter an verschiedenen Hochschulen. Seit 2020 präsentiert er sein Theaterstück „Monolog mit meinem ‚asozialen‘ Großvater“ an verschiedenen Orten und setzt sich dadurch für die Sichtbarkeit verleugneter Opfergruppen des Nationalsozialismus ein.