Zum Hauptinhalt springen

Die lange Geschichte des rechten Extremismus

Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Rechtsextremismus nach 1945. Tagung des Archivs für Sozial­geschichte für Band 63. Bonn ­ (Verlag J.H.W. Dietz) 2023, 656 S., 68 €

Der als Hardcover vorgelegte Band ist ein Beitrag zur Gesellschaftsgeschichte des Rechtsextremismus und blickt auf historische Kontinuitäten, auf die sich verändernden Milieus, auf Brüche und ideologischen Neuausrichtungen. Die 20 Beiträge umfassen den Zeitraum nach 1945 bis hin zu aktuellen Entwicklungen, und sie nehmen als Fallstudien unterschiedliche historische Phänomene und Prozesse in den Blick. In den zehn Beiträgen zum rechten Extremismus nach 1945 geht es vor allem um Phänomene in den 1960er und 70er Jahren. Sie geben als ausgewählte Fallstudien – nicht als systematische Geschichtsschreibung – materialreiche und gehaltvolle Einblicke in die rechtsextreme politische Kultur dieser Zeit. Nach einem einleitenden Text zu den „Konturen des Forschungsfeldes“, in dem auf eine geschichtswissenschaftliche Sicht auf die extreme Rechte verwiesen wird, diskutieren die Autorinnen und Autoren die Sinus-Studie mit ihren „umkämpften Zahlen“ aus dem Jahr 1981; dann befassen sie sich mit Schönhuber und den Republikanern, der rassistischen Gewalt in der späten DDR, den „Grauen Wölfen“ und der extremen Rechten in Italien. Besonders informativ sind die Texte, die sich mit bisher weniger bekannten Themen, Akteuren und Treffen befassen. Dazu zählen der Kampf der bundesdeutschen Rechten gegen die „Pornowelle“ Ende der 1960er Jahre und die „nationale Bildungsarbeit“ bzw. Kaderschulungen von Hans-Michael Fiedler als einer Schlüsselfigur von Vernetzungsprozessen in den 1970er Jahren. 

Dann sind es der „Reichstag zu Flensburg“ am 23. Mai 1975 mit seiner „Reichsbürgeridee“ bzw. den selbsternannten „Reichsbürgern“, der Kampf gegen die extreme Rechte von Kurt Hirsch und seiner „Demokratischen Aktion“ von 1968 – 1983 oder auch die Initiative „Ausländer in die Polizei“. Differenziert und kenntnisreich setzt sich Ulrike Löffler mit den pädagogischen Antworten bzw. der „antifaschistischen Bildungsarbeit“ auf die Konjunktur des Rechtsextremismus in den späten 1970er Jahren auseinander. Sie skizziert die politisch-pädagogischen Begründungen und Ansätze, die Bildungsprojekte sowie „pädagogisch-didaktischen Neuausrichtungen“ (275), zu denen insb. Gedenkstättenbesuche und lokal-historische Formate gehörten. In den folgenden vier mehr dokumentarischen und analytischen Texten wird zunächst der „vergessene migran­tische Beitrag“ (365) in der Rechtsextremismusforschung im Zeitraum von 1978 bis 1983 bilanziert und gezeigt, welches begriffliche, systematische und empirische „rassistische Wissen“ angeboten wurde. Es folgen Beiträge über Spanien, den „Aprilstreik“ der deutschen Arbeiterschaft im Jahr 1917 und zur Verfassungsgeschichte in Frankreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Blick auf die Legitimation konstitutioneller Herrschaft. 

Weiterlesen mit JOURNAL+

Lesen Sie diesen und alle weiteren Beiträge aus dem Journal für politische Bildung im günstigen Abonnement.
Mit Ihrem Abonnement erhalten Sie die vier gedruckten Journal-Ausgaben im Jahr sowie vollen Zugriff auf alle Journal+ Beiträge des Online-Angebots.
Jetzt abonnieren
Sie haben das Journal für politische Bildung bereits abonniert?
Jetzt anmelden

Der Rezensent

Benno Hafeneger lehrte und forscht an der Philipps-Universität Marburg zu Jugend und außerschulischer ­Jugendbildung und ist Mitglied der JOURNAL-Redaktion

Ein Beitrag aus

Neu