Umfassende Strategie für politische Bildung gefordert

Das Europäische Parlament hat am 6. April 2022 eine Entschließung zur Umsetzung von Maßnahmen verabschiedet und darin zentrale Elemente einer umfassenden europäischen Strategie für die europäische politische Bildung gefordert. Politische Bildung soll in allen Bildungsprogrammen der EU berücksichtigt und es soll ein Aktionsplan für politische Bildung entwickelt werden, der Synergien mit anderen EU-Programmen z. B. mit Programmen zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung und einschlägigen Maßnahmen im Bereich der Jugend beinhalten soll.

 

Begründet wird die Forderung nach einer Stärkung der politischen Bildung mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen: mit fortschreitender Globalisierung und europäischer Integration, mit dem Klimawandel, dem digitalen Wandel, mit Ungerechtigkeiten infolge sozialer und territorialer Unterschiede, mit zunehmenden Fehl- und Desinformationen, dem Erstarken von extremistischen Bewegungen und ausgrenzendem Nationalismus, einem nachlassenden Vertrauen in Institutionen und Euroskeptizismus. Es wird konstatiert, dass Gesellschaften vielfältiger werden und die Menschen herausgefordert sind, sich „auf verschiedenen Ebenen politisch zu engagieren, international zu leben und zu arbeiten und sich im täglichen Leben mit Unterschieden auseinanderzusetzen“.

 

Bei einer Durchsicht durch vorhandene Beschlüsse und Empfehlungen sowie von einschlägigen Programmen der EU wird eine gravierende Umsetzungslücke identifiziert. Z. B. seien die in den Empfehlungen des Rates zu den Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen enthaltenen Überlegungen nicht systematisch weiterentwickelt worden.

 

In dem Beschluss wird bedauert, dass es keine gemeinsame Definition von politischer Bildung auf Ebene der EU gibt. Politische Bildung wird dann als eine Kombination aus Wissen, Fähigkeiten, Methoden, Instrumenten, Inhalten, Kompetenzen, Einstellungen, Werten und Betreuung skizziert, die ein Verständnis von politischen, rechtlichen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Konzepten sowie von kritischem Denken und Medienkompetenz umfasse. Sie müsse als bereichsübergreifend und im Zusammenwirken von formaler, non-formaler und informeller Bildung verstanden werden. Vorgeschlagen wird, die Definition von politischer Bildung zugrunde zu legen, die in der Charta des Europarats zur Demokratie- und Menschenrechtsbildung enthalten ist.

 

Zentrale Anliegen des Parlaments sind eine erhebliche Steigerung der Qualität politischer Bildung auf europäischer Ebene, die Verbesserung der unterschiedlichen Ansätze, ein Ausbau des Austauschs über gelungene Praxis, eine Intensivierung von Aus-, Fort- und Weiterbildung zur politischen Bildung sowie die Verstärkung der Forschung, um die systemische Wirkung politischer Bildung zu erhöhen. Alle Menschen in Europa sollen Zugang zur politischen Bildung haben und in respektvolle und stärkende Prozesse zum Aufbau einer Bürgerschaft einbezogen werden, um dafür zu sorgen, dass „sie am staatbürgerlichen und kulturellen Leben teilhaben.“

 

Etwas irritierend ist, dass in dem Text häufig von staatsbürgerlicher Bildung oder staatsbürgerlicher Erziehung die Rede ist und dieser Begriff offensichtlich mit politischer Bildung gleichgesetzt wird. Auch wird gefordert, einen gemeinsamen Kompetenzrahmen „für die Schlüsselkompetenz „Bürgerschaft“ zu entwickeln“. Diese Überlegung muss als sehr ambitioniert betrachtet werden, wenn die unterschiedlichen politischen Kulturen der Mitgliedsländer beachtet werden. Grundsätzlich positiv ist zu bewerten – wenn staatsbürgerlich nicht eng verstanden wird –, dass „die Anerkennung und Validierung von staatsbürgerlichen Kompetenzen, die durch nicht-formales und informelles Lernen, einschließlich Jugendarbeit und Freiwilligenarbeit, erworben wurden, und eine Stärkung der Verknüpfung zwischen formalem, nicht-formalem und informellem Lernen in der politischen Bildung“ gefordert wird. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die in der politischen Bildung tätig sind, werden ermuntert, sich europäisch zu vernetzen. Schließlich werden die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten aufgefordert, gleichermaßen in die formale, non-formale und informelle politische Bildung zu investieren, politische Bildung aktiver zu fördern und den finanziellen Rahmen einschlägiger Programme erheblich auszubauen.

 

Klaus Waldmann, leitender Redakteur des Journals

auf Grundlage der Entschließung: https://t1p.de/hi0cf