Prozesse der Subjektbildung

Rudolf Tippelt, Bernhard Schmidt-Hertha: Sozialisation und informelles Lernen. Stuttgart (utb GmbH – wbv-Publikation) 2020, 163 S., 19,90 €


Die Autoren dieses handlichen Lehrbuchs beschäftigen sich mit zwei zentralen theoretischen Konzepten, die lebensbegleitende Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung, der Subjektbildung, der Entwicklung individueller Werte, von Emotionen, von Kompetenzen sowie der Aneignung gesellschaftlicher Normen und Orientierungen erklären wollen. Dabei interessieren sie sich besonders für den Beitrag, den Sozialisationsforschung und Forschungen zum informellen Lernen für die Praxis der Erwachsenenbildung leisten können.

Zunächst verdeutlichen die beiden Autoren, dass sich beide Konzepte mit lebenslangen Prozessen einer dynamischen Persönlichkeitsentwicklung beschäftigen, die für die gesellschaftliche und kulturelle Reproduktion sowie die individuelle Entwicklung existenziell sind, „aber oft unbewusst und nicht intendiert stattfinden“ (10). Bei genauerer Betrachtung wird schnell deutlich, dass die Grenzen zwischen den beiden Begriffen „fließend und unscharf“ (10) sind und sie ihren Ursprung in unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen haben. Der Sozialisationsbegriff ist soziologischer Herkunft und nimmt das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Individuum in den Blick, fragt also danach, welche Relevanz gesellschaftliche Strukturen und gesellschaftliche Veränderungen für die Entwicklung der Persönlichkeit und deren Orientierungen haben, bzw. wie sich Individuen gesellschaftliche Rollen und Normen aneignen und diese gegebenenfalls verändern. Demgegenüber ist der jüngere Begriff des informellen Lernens im Kontext von Lerntheorien anzusiedeln, die ihre Grundlagen in psychologischen und erziehungswissenschaftlichen Theorien haben. 

In den ersten drei Kapiteln werden verschiedene Sozialisationstheorien erläutert. Die Autoren differenzieren zwischen strukturtheoretischen und interaktionstheoretischen Ansätzen, um dann auf das Konzept des Habitus (Bourdieu) sowie die Lebensweltforschung und die zu sozialen Milieus einzugehen. Ebenfalls beleuchten sie den Ansatz der Entwicklungsaufgaben (Havighurst, Hurrelmann), den der Ich-Identität (Erikson) und der sozial-ökologischen Sozialisationsforschung (Bronfenbrenner). Jeweils werden grundlegende Begriffe der Konzepte herausgearbeitet und ihre Implikationen für erwachsenenbildnerisches Handeln skizziert. Etwas überraschend ist, dass in diesem Band auf das Modell von Sozialisation als produktiver Realitätsverarbeitung, das vor allem von Klaus Hurrelmann ausgearbeitet wurde, nicht näher eingegangen wird.

In Kapitel 4 des Lehrbuchs widmen sich die beiden Autoren dem informellen Lernen. Sie vertreten die These, dass informelles Lernen „die ursprüngliche und älteste Form menschlichen Lernens“ (45) ist. Informelle Lernprozesse zeichne aus, „dass sie nicht professionell begleitet…

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Der Rezensent

Klaus Waldmann, leitender Redakteur des JOURNAL.

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