Krieg und Unordnung in der Welt

Angesichts internationaler krisen- und kriegsträchtiger Konflikte entwickelt sich in der Gesellschaft eine (neue) globale (Un-)Ordnung, die zu geopolitischen und geoökonomischen Konkurrenzen führt und die Sicherheitsarchitektur vor altbekannte und neue Herausforderungen stellt. Die Erweiterung der NATO und das NATO-Verhältnis zu Russland, der Wettstreit zwischen den USA und China sowie die Aktualisierung nuklearer Rivalitäten spielen eine entscheidende Rolle.

Zentrale krisen- und kriegsträchtige internationale Konfliktformationen
Auf amerikanischer Seite, aber mancherorts auch in Europa, werden die Konflikte mit Russland und China primär als Teil einer welthistorischen Ausein­andersetzung zwischen Autokratie und Demokratie interpretiert. Eine solche Sichtweise tendiert jedoch dazu, die Besonderheiten dieser beiden grundlegenden krisenträchtigen Konfliktforma­tionen auszublenden, die das Risiko eines potenziell nuklear eskalierenden Krieges mit sich bringen. Zwischen Russland und dem ‚Westen‘ (USA/NATO/EU) besteht ein fundamentaler Konflikt über die europäische Sicherheitsordnung, bei dem geopolitische und liberale Ordnungsvorstellungen kollidieren. Zwischen USA und China hat sich eine globale geopolitische und geoökonomische Hegemonialkonkurrenz entwickelt: Ein mehrdimensionaler Weltkonflikt, der für die internationale Politik strukturbildend zu werden beginnt.

Der Konflikt um die europäische Sicherheitsordnung
Im Konflikt mit Russland trifft die liberale westliche Ordnungsvorstellung, nach der jeder Staat das Recht auf freie Bündniswahl hat, auf eine geopolitische: Auf den russischen Anspruch, auf strategisch wichtige Räume Einfluss zu nehmen und diese zu kontrollieren. Anfänglich, in den Jahren 1993­–1994, war die Ost-Erweiterung der NATO auf russischer Seite mit der Erwartung verbunden, sie könnte Russland einschließen und das Land würde so einen seiner Größe entsprechenden Status als wichtiger Partner der USA bekommen. Diese Erwartung jedoch erwies sich als illusorisch und die Gegnerschaft zur Nato-Erweiterung wurde bald zum vorherrschenden Narrativ (vgl. Radchenko 2020). Die zentrale Rolle der NATO und damit der USA in der europäischen Sicherheits­architektur war für Russland unvereinbar mit seiner Konzeption von Sicherheit (vgl. Sushentsov/Wohlforth 2020).

Russland und die NATO


Was Washington als Kern einer neuen Sicherheitsarchitektur ansah – die Erweiterung der NATO in den post-sowjetischen Raum – nahm Moskau weithin als Fortsetzung des alten Spiels der Gleichgewichts- und Eindämmungspolitik wahr, mit der Russland die Pufferzone an der Westgrenze genommen wurde. Russland ist seit Putins erneuter Wahl zum Präsidenten im Jahre 2012 bestrebt, seinen Einfluss über die eigene Peripherie und die dort beanspruchte „privilegierte Interessensphäre“ hinaus auszuweiten. Die „Hegemonie“ der USA wird in Moskau weithin als eine…

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Der Autor

Peter Rudolf ist promovierter und habilitierter Politikwissenschaftler an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ­ in Berlin.

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