Blinde Flecken

Der Krieg in der Ukraine muss für die historisch-politische Bildung in Deutschland Anlass sein, nach blinden Flecken in der eigenen Wahrnehmung Mittel- und Osteuropas und in den Kooperationsbeziehungen mit der Region zu fragen. Die Erfahrungen aus dem internationalen Projekt „Once upon today… in Europe“ machen deutlich, wie wichtig internationale Austausch- und Begegnungsprojekte sind, um unseren Blick auf unterschiedliche historische Erfahrungen und damit verbundene Wahrnehmungen aktueller politischer Herausforderungen zu weiten.


Bereits seit 2012 bringt das Projekt „Once upon today… in Europe“ in regelmäßigen Abständen Menschen aus sechs europäischen Ländern zusammen: aus Deutschland, Estland, Moldau, Rumänien, Polen und der Ukraine. Dabei kooperieren die Kreisau-Initiative e. V. und die Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et) eng mit Organisationen in allen genannten Partnerländern. Die Themensetzungen sowie die didaktische und methodische Gestaltung werden regelmäßig im Team reflektiert und weiterentwickelt. Das Projekt ist damit ein spannender Lernraum, wenn es darum geht, Ansätze der historisch-politischen Bildung aus den jeweiligen nationalen Kontexten in internationale Kooperationsprojekte zu übertragen und sich über blinde Flecken in der Wahrnehmung auszutauschen. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich die jahrelange Kooperation als stabile Basis erwiesen, um schnell ein Angebot für Fachkräfte zu entwickeln, welches erstmalig im August 2022 stattfand, und weitere Aktivitäten für Jugendliche ins Auge fassen möchte.


Internationale historische Bildung



Das Projekt, das im JOURNAL schon ausführlich vorgestellt wurde (vgl. Ausgabe 1/2018), baut auf drei Elementen auf: In Trainings lernen Fachkräfte Ansätze und Methoden für eine diversitätsbewusste historisch-politische Bildungsarbeit kennen. Anschließend begeben sich Jugendliche auf die Suche nach Geschichten in ihrem persönlichen Umfeld oder in ihrer Stadt. Dabei werden sie ermutigt, vor allem Perspektiven nachzugehen, die bisher kaum erzählt oder gehört wurden und auf Leerstellen im kollektiven Gedächtnis hindeuten. In internationalen Jugendbegegnungen in Krzyżowa/Kreisau in Polen kommen die Teilnehmenden abschließend zusammen.

„Once upon today… in Europe“ bietet Räume zum Austausch über unterschiedliche historische Narrative und Erinnerungskulturen in Europa. Diese machen sich nicht nur an Nationen, sondern auch an vielfältigen Identitätsbezügen und Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen Gemeinschaften fest. Das Projekt fragt nach dem Verhältnis von Geschichte und kollektivem Gedächtnis. Es lädt dazu ein, nationale Gedächtnisrahmen und offizielle Narrative zu hinterfragen, wie sie etwa im Bildungssystem oder über eine öffentliche Gedenkkultur weitergegeben werden. Ganz…

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Der Autor

Ole Jantschek ist Bundestutor/Pädagogischer Leiter der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (et) und Mitglied der JOURNAL-Redaktion.

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