Zu "Alexander Wohnig" wurden 8 Titel gefunden

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Bildungsstätten
Die vierte Ausgabe des JOURNALS widmet sich der Bedeutung von Bildungsstätten als wichtige Orte der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Zwar ist die Bildungsstätte nur einer von vielen und anderen Orten der politischen Bildung, übernimmt jedoch – und das nicht nur historisch betrachtet – mit ihren eigentümlichen Charakter eine besondere Stellung in der Landschaft der politischen Bildung. Als außeralltägliches Angebot bietet sie Menschen an anregungsreichen Orten wie Bildungszentren, Akademien, Tagungsstätten oder Jugendhöfen Raum, Zeit und Gelegenheit für diskursive Begegnung und Kommunikation. Dabei werden nicht nur Seminarreihen und Workshop-Formate, sondern auch lebensweltliche und praktische Bildungs- und Lernmöglichkeiten angeboten, um Demokratie erfahrbar zu machen. Doch die Bildungsstätten stehen zunehmend unter ökonomischen und politischen Druck. Bereits seit Jahren schrumpft ihre Landkarte in der Bundesrepublik zusammen und stellt auch große Träger zunehmend vor die Frage, ob und wie sie ihre Bildungsstätte(n) weiter bewirtschaften können (vgl. Waldmann in diesem Heft). Zur Wahrheit gehört aber auch, dass rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien, Gruppen und Strömungen, Bildungsstätten schließen wollen, weil deren weltoffenes und pro-demokratisches Programm nicht in ihr politisches Meinungsbild passt. Und auch mit Blick auf die Zukunft und die beabsichtigte Mittelkürzung für die politische Bildung im Doppelhaushalt 2024/2025 schaut es für die politischen Bildungsstätten eher düster aus (vgl. Klein, Vorsitzender des bap, Ausgabe 03/2023). Diese Ausgabe entwirft einen Gegenhorizont zu den eher mürrischen und mitunter eklatanten Rahmenbedingungen von Bildungsstätten und betont deren wichtigen Beitrag für die soziale Infrastruktur der politischen Bildung als auch deren handlungspraktische Impulse für die einzelnen Besucher:innen und Teilnehmer:innen. Dabei weitet das Magazin seinen Blick und schaut über die vermeintlich klassische Jugendbildungsstätte hinaus. Beleuchtet werden neben exemplarischen Einblicken in die Geschichte (vgl. Buhrmann in diesem Heft), Entwicklung und den aktuellen Stand (vgl. Wohnig in diesem Heft), ausgewählte Perspektiven wie die Bedeutung von Raum (vgl. Eble in diesem Heft) oder aber Schwerpunkte wie die Arbeit von Familienbildungsstätten (vgl. Müller-Giebeler in diesem Heft) oder Bildungszentren der Gewerkschaften (vgl. Venzke in diesem Heft). Die Gesamtschau der Eindrücke veranschaulicht das schöpferische Potential von Bildungsstätten als Orte der Demokratie. Denn in einer Zeit zunehmenden Populismus, politischer Polarisierung und gesellschaftlicher Spaltung sind sie wichtiger denn je. Sie bieten Menschen Sie bieten Menschen in einer Zeit mit und ohne Krisen die Möglichkeit, sich mit komplexen gesellschaftlichen Zusammenhängen auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung im Austausch mit anderen zu bilden. Seit dem 07. Oktober dieses Jahres steht die Gesellschaft Kopf. Marc Grimm ordnet in diesem Heft den barbarischen Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas im westlichen Negev auf Israel ein. Orte der politischen Bildung sind nicht nur jetzt gefragt, sich als Räume zu begreifen, an denen Antisemitismus und deren Funktionsweise und Erscheinungsformen thematisiert und reflektiert werden, können und sollten. Nicht nur Fachkräfte der politischen Bildung müssen in diesem Zusammenhang (weiter) mit Basiswissen ausgestattet werden, um „die notwendige Handlungssicherheit im Feld der Antisemitismusprävention zu erlangen“ (Grimm in diesem Heft). Bildungszentren wie die Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule in Hamburg, die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main oder die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, um nur einige von ihnen zu nennen, leisten hier seit vielen Jahren Pionierarbeit. Den Schwerpunkt dieser Ausgabe gestalteten Jana Trumann und Alexander Wohnig.
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Demokratiebildung
Das Demokratiefördergesetz befindet sich in der Anhörungsphase und wird möglicherweise noch im Jahr 2023 beschlossen und in Kraft treten. Diese  Ausgabe des Journal  kommentiert das Gesetz fachlich, fragt nach der Rolle der politischen Bildung und reflektiert, ob die politische Bildung sich dieses Gesetz aneignen kann bzw. aneignen will. Neben einer Einführung in zentrale Begrifflichkeiten im Demokratie-Kontext wird das Demokratiefördergesetz aus Sicht verschiedener ausgewählter Vertreter*innen der politischen Bildung kommentiert. Verschiedene Fachartikel aus der Praxis flankieren die Debatte und illustrieren die Potenziale und Herausforderungen von gelebter Demokratiebildung.
Aufgabe: Demokratie stärken. Perspektiven des 16. Kinder- und Jugendberichts
Die Bundesregierung ist verpflichtet, in jeder Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat einen „Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der  Kinder- und Jugendhilfe“ vorzulegen. Im November 2020 wurde der von einer unabhängigen Kommission interdisziplinärer Expert*innen erarbeitete Bericht zum Thema „Förderung demokratischer Bildung im  Kindes- und Jugendalter“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Auf fast 700 Seiten bietet der Bericht einen  systematischen, empirisch untermauerten, umfassenden Bericht zur politischen Bildung junger  Menschen. Diese Ausgabe des "Journal" möchte die Fachöffentlichkeit mit Erkenntnissen des Berichts näher bekannt  machen. Dabei hat sich die Redaktion entschieden, den Bericht primär aus der Perspektive der  organisierten außerschulischen politischen Jugendbildung in den Blick zu nehmen.
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Räume und Orte
Schwerpunkt dieser Ausgabe des JOURNAL ist die Frage nach Räumen und Orten der politischen Bildung. Als wir dieses Heft geplant haben, war die Vorstellung undenkbar, dass ein Virus demnächst das öffentliche Leben in diesem Land weitgehend stilllegen könnte. Oder dass Bildungsstätten für einen längeren Zeitraum geschlossen werden müssen, um einen Beitrag zur Eindämmung einer Pandemie zu leisten. Die Idee war, die Entwicklung neuer Formate, die sich verstärkende Vernetzung und die zunehmenden Kooperationen in der politischen Bildung zum Anlass zu nehmen, über Orte und Räume der politischen Bildung neu nachzudenken. Von der politischen Bildung sind in der jüngeren Vergangenheit eine Vielzahl neuer Formate entwickelt, andere Orte des Lernens entdeckt und neue Informations- und Kommunikationskanäle erschlossen worden. Wie können Grundlagen demokratischen Verhaltens wirkungsvoller vermittelt werden? Wie kann zur Prävention von Extremismus beigetragen, der Einsatz digitaler Medien ausgebaut, das wachsende Interesses an gesellschaftlicher und politischer Partizipation gestärkt werden? Wie gelingt es, einen besseren Zugang zu schwierig erreichbaren Zielgruppen aufzubauen? Wie kann die zunehmende Bereitschaft, sich für öffentliche Angelegenheiten zu engagieren, gestärkt werden? Von diesen Fragen sind die Innovationen geleitet. Dabei ist auch deutlich geworden, dass die Relevanz von Orten und Räumen für die Praxis politischer Bildung genauer zu reflektieren ist und die vielschichtigen Prozesse zur Gestaltung von Räumen und der Wirkung von Orten für Bildungsprozesse bewusster zu machen sind. Räume sind nicht nur physisch vorhandene, eventuell mit Einrichtungsgegenständen gestaltete Einheiten, sie werden von Akteuren angeeignet und durch die jeweilige Nutzung in ihrer Bedeutung geprägt. Sie können z.B. die Zugänge zur Bildung erleichtern oder erschweren, sie können Bildungsprozesse fördern oder blockieren, sie können Motivation anregen oder auch lähmen, auf jeden Fall sind sie pädagogisch wirksam. In den Beiträgen dieses Heftes werden diese Aspekte aufgenommen.
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Demokratieförderung vs. politische Bildung?
In den vergangenen Jahren sind Orte wie Chemnitz, Clausnitz, Heidenau und Freital als Chiffren für fremdenfeindliche Gewalt deutschlandweit und auch international bekannt geworden, ebenso wie bereits zuvor die PEGIDA-Hochburg Dresden. Zu gewalttätigen Ausschreitungen in Chemnitz kam es im Sommer 2018 nach einer Auseinandersetzung, bei der ein Deutsch-Kubaner durch Messerstiche tödlich und zwei weitere schwer verletzt worden waren. Rechte und rechtsextreme Gruppen hatten aufgrund von Nachrichten zum Migrationshintergrund der mutmaßlichen Täter zu Demonstrationen aufgerufen. Im Internet wurden Falschinformationen verbreitet, wonach der Getötete eine deutsche Frau vor sexueller Belästigung durch Migranten beschützt habe. In der Folge kam es zu ausländerfeindlichen und antisemitischen Ausschreitungen, organisierte Rechte und Neonazis griffen tatsächliche oder vermeintliche Migranten, Gegendemonstranten, Polizisten sowie Pressevertreter und unbeteiligte Passanten sowie ein jüdisches Restaurant an. In den folgenden Tagen und Wochen gab es zahlreiche Demonstrationen und Gegenproteste. Mobilisiert hatten die rechtspopulistische Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“, die neonazistischen Parteien NPD, „Der III. Weg“ und „Die Rechte“, ebenso die Kameradschaftsszene, Hooligangruppen, PEGIDA und die Identitäre Bewegung. Der Verfassungsschutz Berlin sprach von einem „offenkundigen Schulterschluss“ von Rechtsextremisten mit der AfD. Zu einer handfesten Regierungskrise wurden die Ereignisse von Chemnitz durch die Causa Hans-Georg Maaßen. Als erste Vertreterin der Bundesregierung besuchte Familienministerin Franziska Giffey die sächsische Stadt. „Sicherheit heißt nicht nur gute Polizeiarbeit, sondern Sicherheit heißt auch Prävention, heißt Jugendarbeit, heißt politische Bildung, heißt Engagement und heißt Zusammenstehen“. Konkret wolle die Familienministerin deutlich mehr Geld für politische Bildung bereitstellen. Einige Tage später folgte im September 2018 die (erneute) Ankündigung eines Gesetzes zur Förderung der Demokratie. Dieses müsse klar machen: „Es ist auch die Aufgabe des Staates, die demokratische Bildung junger Menschen auf allen Ebenen zu organisieren“. Das Programm „Demokratie leben!“ sei hilfreich, aber man müsse fragen, wie man von Modellprojekten zu einer strukturellen Förderung komme, so Giffey. Das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ des BMFSFJ startete im Januar 2015. Die Fördersumme für das Jahr 2019 beträgt nach signifikantem Aufwuchs insgesamt 115,5 Millionen Euro. Zudem ist ebenfalls seit 2018 das beim BMI angesiedelte und mit 100 Millionen Euro hinterlegte „Nationale Präventionsprogramm gegen islamischen Extremismus“ in Kraft. Im Mai 2018 hatte Giffey angekündigt, „Demokratie leben!“ nach 2019 zu entfristen. Diese Programme sowie das angekündigte „Demokratiefördergesetz“ führen laut Benedikt Widmaier, dem verantwortlichen Redakteur dieser Ausgabe des JOURNAL, zu einem signifikanten Strukturwandel der non-formalen politischen Bildung in Deutschland und zu einer förderpolitischen Schieflage zwischen den Strukturen der genannten „neuen“ und der „alten politischen Bildung“, der mit den Förderungen der politischen Jugendbildung aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) sowie der politischen Erwachsenenbildung durch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) lediglich ca. 20 Millionen Euro zur Verfügung stehen. In dieser Ausgabe des JOURNAL wird der angesprochene Strukturwandel der politischen Bildung in verschiedenen Facetten diskutiert und eingeordnet.
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Gesellschaftsdiagnosen
Unsere „Gesellschaft der Singularitäten“ (Andreas Reckwitz) entsteht am Kreuzungspunkt kultureller, ökonomischer und technologischer Wandlungsprozesse und ist durchzogen von Prozessen der Vereinzelung. Spätestens seit den 1990er Jahren befinden wir uns demnach in einer Spätmoderne, in der Besonderheit und Einzigartigkeit herausragende Rollen erhalten. In den 1970er Jahren findet in den westlichen Ländern – auch beeinflusst durch die Kulturrevolution der Zeit um 1968 (vgl. Journal 4/18) – ein Wandel der leitenden Lebenswerte statt: Anpassung an das Allgemeine verliert an Rückhalt, Entfaltung und Verwirklichung des Selbst gewinnen an Überzeugungskraft – das Streben nach einzigartigen, subjektiv befriedigenden Identitäten im Berufsleben, in der Partnerschaft, in der Freizeit und im Konsum – eine wahre Selbstverwirklichungsrevolution. Kultureller geht mit ökonomischem Wandel zusammen: Ein Großteil von Wertschöpfung und Erwerbstätigkeit findet sich nun im Dienstleistungssektor. Dies hat Auswirkungen auf Seiten des Konsums wie der Erwerbsarbeit; es findet eine neue Konsumentenrevolution statt, die weniger auf Massenkonsum von Standardgütern setzt als auf symbolische Güter, Erlebnisse, Dienste und mediale Formate in großer Differenziertheit. DIe Entindustrialisierung fördert die Expansion der Wissensökonomie für Hochqualifizierte, eine hochgradig subjektivierte Arbeit im permanenten Wettbewerb um Höchstleistungen: Eine liberalisierte Ökonomie, die nicht nach dem Durchschnitt strebt, sondern nach Exzellenz; die nicht nur Einkommen, sondern auch persönliche Befriedigung verspricht. Die dritte Größe, der laut Reckwitz den Wandel von der Gesellschaft der Gleichen zur Gesellschaft der Singularitäten vorantreibt, ist die digitale Revolution. Die Technik der Industriegesellschaft wirkte standardisierend, die digitale Technologie der Spätmoderne wirkt in mehreren Hinsichten singularisierend. Im Internet findet ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit statt, in dem nur Differenz heraussticht, die digitale Welt ist auf das Individuum zugeschnitten. An die Stelle der allgemeinen medialen Öffentlichkeit treten partikulare Communities, die sich jeweils selbst bestätigen. Das verstärkt die Herausforderung des liberalen politischen Systems, auch durch Populismus. Seine Attraktivität gewinnt dieser aus der neuen Spaltungslinie, die zwischen kosmopolitisch orientierten „Liberalisierungsgewinnern“ und traditionalistisch eingestellten „Liberalisierungsverlierern“ verläuft. Insbesondere diejenigen, die sich als Verlierer der oben beschriebenen Veränderungen sehen und einen ökonomischen und/oder einen kulturellen Verlust fürchten, werden von ihm angesprochen. Gesellschaftsdiagnosen haben Konjunktur und bestimmen den gesellschaftlichen und politischen Diskurs teilweise maßgeblich mit. Diese Ausgabe des Journal benennt gängige Standortbestimmungen, bringt sie mit Phänomenen wie Digitalisierung, Ökonomie und Populismus in Verbindung und versucht, diese für die politische Bildung urbar zu machen.
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Propaganda, Desinformation, Verschwörung
Aktuelle Umfragen belegen: Die Verschwörungstheorie, einst eine Denkfigur der Selbstisolation, ein Exerziersport von Spinnern an der Peripherie, breitet sich aus. Sie wandert von den Rändern in Richtung Zentrum und wird diskursmächtig – und zwar zur Rechten wie zur Linken“ – so diagnostizierte der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen im Frühjahr 2017 die gegenwärtige „Zeit des großen Verdachts“. In der Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien muss man zunächst anerkennen, dass Verschwörungen real exis­tieren. Die Geschichte ist voller Beispiele, wie Menschen sich im Geheimen zusammengeschlossen haben, um ihre Macht zu sichern und auszubauen. Es ist also nicht von vornherein abwegig, Ereignisse darauf zu prüfen, ob sie das Ergebnis einer Verschwörung waren oder sind. Problematisch wird dieser Vorgang jedoch, wenn der Verdacht einer Verschwörung nicht fallengelassen wird, sobald er sich als falsch erwiesen hat. Verschwörungstheorien versuchen, Zufälle oder Ereignisse, auf die Menschen im Allgemeinen keinen direkten Einfluss ausüben können, durch den Plan einer großen Weltverschwörung zu erklären. Doch wie können komplexe Sachlagen verständlich erklärt werden? Durch das Internet wird zunehmend deutlich, wie weit Verschwörungsideologien in der Gesellschaft verbreitet sind. Dies liegt an der Demokratisierung des Netzes, also der Möglichkeit für alle, ihre Meinung zu veröffentlichen. Was früher nur in einzelnen Studien als Einstellungen der Menschen zutage trat, wird heute täglich von den Menschen in die Öffentlichkeit gesendet. In den Sozialen Medien zeigt sich, dass Verschwörungsideologien, Fake News und Propaganda nicht nur von vermeintlichen gesellschaftlichen Randpersonen verbreitet und geglaubt werden. Der oftmals skandalisierende Ton, das Zusammenspiel von einfachen Erklärungen und der Benennung von Schuldigen ist für die breite Masse attraktiv; und dies vollkommen unabhängig von Geschlecht, Alter oder Bildung. Doch wie erkennt man derartige Unwahrheiten im Zwiegespräch, an Stammtischen und in den Medien? Durch die Konfrontation mit Propaganda, Desinformation und Verschwörung als Angstfigur des rationalen Austauschs von Argumenten wird eines unabweisbar deutlich: Aufklärung und Diskurs brauchen heute neue Formen. Es reicht nicht mehr, einfach nur Positionen auszutauschen, weil in der „Zeit des großen Verdachts“ die gemeinsame Gesprächsgrundlage zwischen vielen Menschen weggebrochen ist. Man muss deutlich machen, was überhaupt als Beweis taugt, welche Quellen man verwendet, wie man zu den eigenen Ansichten und Gewissheiten gelangt ist, denn Demokratie lebt – trotz vieler erschreckender Gegenbeispiele – von der Idee der Mündigkeit. Diesen und den oben ausgeworfenen Fragestellungen der politischen Bildung im Kontext von „Propaganda – Desinformation – Verschwörung“ widmet sich diese Ausgabe.
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Religion - Macht - Politik
Die seit der Aufklärung und insbesondere der Französischen Revolution machtvoll voranschreitende Säkularisierung und die damit verbundene Herauslösung von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus theologisch-kirchlichen Deutungen führte nicht zum Verschwinden der Religionen, doch hat die Religion im pluralistischen Gemeinwesen seitdem einen wesentlich veränderten Stellenwert. Anders als in England und den USA, wo der Aufbau des neuzeitlichen und modernen Staates weitgehend unbelastet von Glaubenskämpfen und staatlich-kirchlichen Konflikten vor sich ging, vollzog sich in Kontinentaleuropa die Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten in scharfer Auseinandersetzung mit Kirche und christlichem Glauben. Dieser war in der Monarchie Staatsräson, in Deutschland noch bis zum Zusammenbruch des Kaiserreiches 1918, wo bis dato eine enge Bindung zwischen staatlicher und kirchlicher Macht – Thron und Altar – herrschte. Über Jahrzehnte war Religion ein eher unterrepräsentierter Themenbereich in den großen politischen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik Deutschland. Religionspolitische Fragestellungen und Konflikte werden in der Öffentlichkeit allerdings zunehmend kontrovers diskutiert, und Politiker/-innen unterschiedlicher Couleur betonen nachdrücklich die Bedeutung von Religionen und Glaubensgemeinschaften für Staat, Demokratie und Gesellschaft. Gleichzeitig finden religiöse Transformationsprozesse in der Gesellschaft statt, welche nicht zuletzt durch Zuwanderung beschleunigt werden, und es wird intensiv debattiert, wie mit religiös motivierter Diskriminierung und Gewalt umgegangen werden kann. Obwohl in Deutschland formalisierte religiöse Bindungen abnehmen und die Akzeptanz christlicher Überzeugungen schwindet, kann im Allgemeinen jedoch nicht von einem fortschreitenden Bedeutungsverlust von Religion(en) die Rede sein, im Gegenteil: Die Religion ist in den vergangenen Jahren – spätestens seit 9/11 als eine welthistorische Zäsur sowie als „Chiffre für die Ohnmacht der Aufklärung“ (Arno Orzessek) – mit großer Wirkungsmächtigkeit in die Öffentlichkeit zurückgekehrt. Haben wir es mit einer genuinen Renaissance des Religiösen zu tun oder handelt es sich hierbei um eine Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke? Fest steht zumindest, dass Religion, Macht und Politik sich in einem Spannungsfeld gesellschaftlichen Zusammenlebens befinden und in Zusammenhängen der politischen Bildung immer umfangreicher und kontroverser diskutiert werden. Religion ist demnach wieder ein großes Thema. Wo verschiedene religiös-weltanschauliche Überzeugungen aufeinandertreffen, da entstehen Wertkonflikte, die des öffentlichen Diskurses bedürfen und häufig emotional werden, da solche Dispute die Menschen im Kern ihrer Identität berühren. Gleichzeitig sind sie immer nur einer von vielen Faktoren, aus denen Identität erwächst, wenn auch ein bedeutsamer. Und oft scheint es einfacher, seine religiös-weltanschauliche Überzeugung vorzuschieben, um sich abzugrenzen, anstatt in einen Dialog einzutreten. Unsere Gesellschaft wird pluraler, womit das Potenzial für gesellschaftliche Konflikte, die religiös bzw. weltanschaulich motiviert sind, wächst. Umso wichtiger ist es, einander zuzuhören und in einen sachlichen Austausch darüber einzutreten, welche religionspolitische Gestaltung zukunftsfähig ist: Wie viel und welche religiöse Aktivität verträgt der demokratische Staat? Und wie viel staatliche Regelung vertragen die Religionen? Diesen und anderen Leitfragen im Spannungsfeld „Religion – Macht – Politik“ widmet sich dieses Heft.